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Nur eine kurze Freude / Leitartikel von Hans Evert

08.11.2012 – 20:12 

Berlin (ots) -

Es ist jene Art von Post, die zuverlässig schlechte Laune macht. Sie kommt bevorzugt im Herbst eines Jahres. Der Absender führt Name und Adresse eines Energieversorgers, der seinen Kunden eine vertraute Botschaft zukommen lässt. Egal, ob Strom oder Gas, die Preise müssen mal wieder "angepasst" werden. So wird es gern formuliert, wenn es darum geht, zu begründen, warum mit Beginn eines neuen Jahres mehr Geld verlangt wird. In den vergangenen Jahren wurde ziemlich oft angepasst. Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind da eindeutig. Seit 2005 hat sich beispielsweise Strom im Durchschnitt um rund 40 Prozent verteuert. Der Gaspreis stieg im selben Zeitraum um gut 30 Prozent, Heizöl sogar um mehr als 50 Prozent.

Da fällt es kaum ins Gewicht, dass die Gasag, Berlins größter Gasversorger, nun ab Januar 2013 die Preise ausnahmsweise einmal nicht "anpasst", sondern senkt. Wenn auch nur um vergleichsweise geringe drei Prozent. Allerdings sollte man fair sein, sind doch sinkende Energiepreise derzeit eine Ausnahme. Die meisten Gasversorger in Deutschland verlangen mehr Geld, Stromversorger ohnehin. Leider lässt sich aus der Preisreduzierung der Gasag aber kein grundsätzlicher Trend ableiten. Das Berliner Energieunternehmen hat Verträge mit seinen Lieferanten neu ausgehandelt und bessere Konditionen erreicht. Zudem muss sich die Gasag in einem harten Wettbewerb behaupten und verbilligt deswegen sein wichtigstes Produkt. Mittel- und langfristig gibt es einen ganz anderen Preispfad: einen, der stetig aufwärts zeigt.

Das ängstigt viele Menschen, vor allem in Berlin, wo viele nur ein geringes Einkommen beziehen und schon für die Miete immer mehr ausgeben müssen. Nur hat die Debatte um Energiewende, steigende Preise und angebliche Energiearmut längst einen Ton in Richtung Hysterie erreicht. Plötzlich wird ernsthaft eine Energieberatung für jeden deutschen Haushalt erwogen. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) sähe das gern bis zum Jahr 2020. Der Sozialverband VdK sprach unlängst davon, dass Strom nicht zum "Luxusgut" werden dürfe. Dieser Alarmismus ist genauso übertrieben wie jener der deutschen Industrie, deren Vertreter mit Abwanderung drohen, sollten die Preise für Energie weiter steigen. Grundfehler der Politik war, dass man nicht von vornherein gesagt hat, dass eine Energiewende richtig viel Geld kosten wird. Es gibt kaum eine Herausforderung derzeit, die ähnlich komplex ist - abgesehen von der Rettung der Eurozone. Deutschland soll raus aus der Atomkraft und möglichst auch aus der Kohle. Strom und Wärme sollen klimaschonend mit jungen, derzeit teils noch unausgereiften Technologien erzeugt werden. Das ist für ein dicht bevölkertes Industrieland eine radikale Sanierung bei laufendem Betrieb.

Keine Frage, dass das viel Geld kostet. Ist es zu teuer, übersteigt es die finanzielle Kraft vieler Menschen? Bei allem Ärger über steigende Preise: Wer kann wirklich spontan beantworten, wie viel er für Energie entrichten muss? In jedem Fall werden die Deutschen bald mehr bezahlen müssen.

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