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SNF: Eine erziehungswissenschaftliche Untersuchung der Auswirkung von Tagesschulen auf Primarschulkinder

22.04.2010 – 08:00 

Bern (ots) -

Die Vorteile der Tagesschule
Der Besuch einer Tagesschule wirkt sich auf Primarschulkinder 
bereits nach zwei Schuljahren positiv aus. Sie weisen bessere 
Sprachkompetenzen, ein positiveres Sozialverhalten sowie bessere 
Alltagsfertigkeiten auf als andere Kinder. Zu diesen Ergebnissen 
kommt eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte 
Studie.
In vielen Ländern Europas und in den Vereinigten Staaten ist die 
ganztägige Bildung und Betreuung von Schulkindern in einer 
Tagesschule die Regel. Sie besuchen dort den Unterricht, essen zu 
Mittag, erledigen ihre Hausaufgaben und verbringen einen Teil ihrer 
Freizeit. In der Schweiz stellt die Tagesschule die Ausnahme dar. In 
den meisten Kantonen wurde jedoch in den letzten Jahren der 
Blockzeitenunterricht eingeführt sowie ein darauf aufbauendes 
ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot - so genannte 
Tagesstrukturen - diskutiert und teilweise umgesetzt.
Walter Herzog und Marianne Schüpbach, beide 
Erziehungswissenschaftler an der Universität Bern, haben untersucht, 
wie sich die verschiedenen Schulformen auf die schulischen Leistungen
und die sozio-emotionale Entwicklung der Kinder auswirken. Sie 
verglichen Kinder, welche die Tagesschule (Nutzung der 
Tagesstrukturen mindestens dreimal pro Woche während 7,5 Stunden), 
den Blockzeitenunterricht (Unterricht am Morgen während 4 Lektionen 
für die ganze Klasse) und den traditionellen Halbklassenunterricht 
(mit Freistunden durchsetzter Stundenplan) besuchen. Die 
Längsschnittstudie bezieht 521 am Anfang ihrer Schulzeit stehende 
Primarschulkinder aus 11 Deutschschweizer Kantonen mit ein. Die 
Kinder verteilten sich auf 70 Klassen und 56 Schulen aus mehrheitlich
städtischen Gebieten und Agglomerationen; die Tagesschulkinder 
stammten aus 10 Klassen.
Bessere Sprachkompetenzen
Das auffälligste Ergebnis der erziehungswissenschaftlichen 
Pionierstudie: Die Tagesschulkinder weisen erstens nach den ersten 
zwei Schuljahren bessere sprachliche Kompetenzen auf als ihre 
Altersgenossen, die den Blockzeitenunterricht oder den traditionellen
Halbklassenunterricht besuchen. Sie können Wörter besser und 
schneller lesen und verstehen. Bei den mathematischen Kompetenzen 
schneiden die Tagesschulkinder hingegen weniger gut als die anderen 
Kinder ab.
Die Tagesschulkinder schneiden zweitens auch bei der sozialen und 
emotionalen Entwicklung sowie den Alltagsfertigkeiten besser ab. Das 
heisst, sie erweisen sich im Umgang mit Gleichaltrigen als 
kompetenter und zeigen ausgeprägter Verhaltensstärken - so können sie
sich beispielsweise besser konzentrieren, haben weniger Angst und 
sind in neuen Situationen weniger nervös. Bei den Alltagsfertigkeiten
können sie zum Beispiel eher die Schuhe selber schnüren oder Messer, 
Gabel und Messer angemessen benutzen.
Kompensatorische Wirkung der Tagesschule
Die Forschenden haben bei ihrer Untersuchung auch den familiären 
Hintergrund der Kinder mit einbezogen. Hier zeigt sich - einmal mehr 
-, dass Kinder, die von ihren Eltern gefördert werden, bessere 
schulische Leistungen erbringen als Kinder, die von den Eltern kaum 
unterstützt werden - unabhängig davon, welche Schulform sie besuchen.
Die Studie zeigt jedoch auch, dass die Tagesschule nachteilige 
Bedingung einer geringen familialen Unterstützung kompensieren kann, 
und zwar bei den Alltagsfertigkeiten und beim Selbstbild bezüglich 
der Fähigkeiten in Mathematik.
Schliesslich haben die Forscher auch die pädagogische Qualität des
Schulunterrichts wie des ausserunterrichtlichen Teils berücksichtigt.
Hier zeigt sich, dass sich der Besuch einer pädagogisch guten 
Tageschule besonders auf die Sprachkompetenzen und die 
sozio-emotionale Entwicklung positiv auswirkt. Für die 
Sprachkompetenzen ist sowohl die Qualität des Unterrichts als auch 
der ausserunterrichtlichen Betreuung entscheidend.
Marianne Schüpbach empfiehlt aufgrund der Ergebnisse, dass die 
Schulen in der Schweiz vermehrt Tagesschulen von hoher pädagogischer 
Qualität einrichten.
Publikation (als PDF beim SNF erhältlich via pri@snf.ch)
Marianne Schüpbach: Ganztägige Bildung und Betreuung im 
Primarschulalter. Qualität und Wirksamkeit verschiedener Schulformen 
im Vergleich. VS Verlag, Wiesbaden 2010. 487 S.
Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des 
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung:
www.snf.ch > Medien > Medienmitteilungen

Kontakt:

PD Dr. Marianne Schüpbach
Universität Bern
Institut für Erziehungswissenschaft
Abteilung Pädagogische Psychologie
Muesmattstrasse 27
CH-3012 Bern
Tel.: +41 31 631 83 38
E-Mail: marianne.schuepbach@edu.unibe.ch