FAW: Mit Bio-Methode das Himbeersterben gestoppt
23.07.2003 – 11:30
Über zwanzig Jahre standen Bauern und Hobbygärtner dem Himbeersterben machtlos gegenüber. Nun haben Wissenschafter der Forschungsanstalt Wädenswil (FAW) eine Methode mit Grüngutkompost entwickelt, mit der der Pilz wirkungsvoll bekämpft werden kann.
Die rosaroten Köstlichkeiten verströmen zur Zeit in den Früchteregalen ihren süssen Duft: Es ist Himbeersaison. Nach den Erdbeeren ist die Himbeere die beliebteste Beerenart, wie die Verkaufszahlen zeigen. Doch über 20 Jahre lang machte ihr eine hartnäckige Wurzelkrankheit arg zu schaffen. Einmal im Boden angesiedelt, frisst der Phytophthora-Pilz die Himbeerwurzeln buchstäblich auf, sodass die Pflanze weder Wasser noch Nährstoffe aufnehmen kann und abstirbt. Die Himbeer-Anbaufläche in der Schweiz nahm deshalb stetig ab. In der Deutschschweiz ist diese zähe Krankheit weit verbreitet. In nassen und kalten Böden gefällt es dem Erreger am besten, und auf lehmigen Böden sind Himbeeren besonders gefährdet. Fatal ist, dass der Pilz im Boden auch ohne Himbeerwurzeln während mindestens zehn Jahren überleben kann, und dass er mit Arbeitsgeräten und Schuhen leicht verbreitet wird.
Umweltfreundliche Lösung
Nun hat die Forschungsanstalt Wädenswil das Problem gelöst: Kombiniert man nämlich verschiedene vorbeugende Massnahmen Grünkompostgaben, Anbau auf Dämmen mit Folienabdeckung und robuste Sorten bleiben die Himbeeren am Leben. In früheren Jahren war es den Wädenswiler Forschern gelungen, in zentralafrikanischen Chininpflanzungen den Gehalt an organischer Substanz im Boden zu erhöhen, und damit die Schäden durch den Erreger ein Verwandter jenes Pilzes, der das Himbeersterben verursacht in Grenzen zu halten. Nach diesem Vorbild setzten sie in kränkelnden Schweizer Himbeerkulturen versuchsweise gut verrotteten Grüngutkompost ein. Mit Erfolg. Während die Pflanzen in den nicht mit Kompost behandelten Versuchsparzellen schon bald das Zeitliche segneten, gewannen die Himbeeren in den wiederholt mit Kompost versorgten Böden zusehends an Kraft. Parallel zu den Feldversuchen durchgeführte Laborexperimente lieferten eine Erklärung: Gut verrotteter Kompost enthält und fördert verschiedene pilzliche Gegenspieler des Phytophthora-Pilzes. Diese nützlichen Pilze (Antagonisten) können den schädlichen Pilz in Schach halten, sofern genug abbaubare organische Substanz im Wurzelraum vorhanden ist.
Himbeeren mögen keine nassen Füsse
Die Forscher fanden noch eine weitere Möglichkeit, das Himbeersterben deutlich zu reduzieren: Während es dem Phytophthora- Pilz in nasskalten Böden am besten gefällt, hemmen genau diese Boden- bedingungen die Ausbreitung der Himbeerwurzeln. Um bei schlechten Böden das Wurzelwachstum zu verbessern, pflanzten sie die Himbeeren versuchsweise auf dammförmige Erdhügel. Damit bleiben die Wurzeln über der zeitweise nassen Bodenschicht. Sie deckten die Erddämme zusätzlich mit einer schwarzen Folie ab, um Unkräuter zu unterdrücken und um zu verhindern, dass die aufgeschüttete Erde abschwemmte. Messungen bestätigten, dass die Wurzeln durch die Hochpflanzung in folienbedeckten Erddämmen wesentlich trockener gehalten werden.
Widerstandsfähige Sorten
Auch Versuche mit neuen, phytophthora-resistenten Himbeersorten aus internationalen Züchtungs-programmen führte die Forschungsanstalt Wädenswil durch. Diese neuen Sorten sind aber nicht absolut resistent, sondern gegenüber dem Pilz erhöht widerstandsfähig. Sie kompensieren die vom Pilz verursachten Schäden, indem sie mehr Wurzeln bilden, und so stellt sich gewissermassen ein Gleichgewicht zwischen der Pflanze und der Pilzkrankheit ein. In schweren, nassen Böden kann das Gleichgewicht aber zugunsten des Phytophthora-Pilzes kippen, und dann macht dieser auch den robusten Neuzüchtungen das Leben schwer. Doch die Früchte von geschwächten Himbeerpflanzen schmecken fad und sind von unbefriedigender Qualität. Darum zeichnet sich ab, dass die Resistenzzüchtung allein auch in Zukunft das Himbeersterben nicht eindämmen kann. Am erfolgreichsten ist die Kombination der verschiedenen vorbeugenden Massnahmen: Grünkompostgaben, der Anbau auf Dämmen mit Folienabdeckung und die Nutzung der robusten Sorten. Der Kulturerfolg hängt aber auch wesentlich von der Gesundheit der verwendeten Jungpflanzen ab. In der Schweiz produzieren zurzeit verschiedene Baumschulen ihre Jungpflanzen bodenunabhängig, das heisst in Töpfen oder Substratsäcken. Damit vermindern sie das Risiko einer Krankheitsübertragung erheblich.
Auch im Ausland ein Erfolg
Dank dieser Bio-Methode ist das Himbeersterben vielerorts zurückgegangen und Beerenbauern wie Hobbygärtner gewinnen wieder Vertrauen in die Himbeerkultur. Die Forscher haben ihr Ziel erreicht: Eine erfolgreiche Produktion von Qualitätsfrüchten zu ermöglichen, ohne chemische Pilzbekämpfungsmittel einzusetzen. Inzwischen wird die Wädenswiler Methode auch in anderen europäischen Ländern mit Erfolg umgesetzt.
((Kasten)) Tipps für den eigenen Garten
Neue Himbeerkulturen sollen nicht an Standorte gepflanzt werden, auf denen schon in früheren Jah-ren Himbeeren wuchsen. Die Gefahr ist gross, dass die jungen Pflanzen sonst frühzeitig in Kontakt kommen mit dem krankmachenden Pilz, der mehrere Jahre im Boden überdauern kann. Auch das Auswechseln des Bodens auf Flächen, die bereits mit Himbeeren belegt waren, bringt häufig nicht den gewünschten Erfolg. In schweren Böden bewährt sich eine Neupflanzung auf etwa 40 bis 50 cm hohen und 50 cm breiten Erddämmen, denen je Laufmeter Reihenlänge 40 bis 60 Liter gut verrotteter Grüngutkompost beigemischt wird. Der Gesundheitszustand von bereits bestehenden Himbeeranlagen lässt sich verbessern, indem eine entsprechende Menge Kompost nachträglich im Reihenbereich ausgebracht wird. Damit das Himbeersterben dauerhaft gebändigt werden kann, sollte nach zwei Jahren erneut Kompost verabreicht werden.
Bilder zum Thema können Sie im JPEG-Format (1MB) von unserer Website herunterladen: www.faw.ch/medien/mediendienst.html -> Himbeersterben. Bildlegenden: Von der Pilzkrankheit befallene Stauden Setzlinge auf folienbedeckten Erddämmen mit verrottetem Kompost Himbeeren lassen vielen das Wasser im Mund zusammenlaufen
Für weitere Auskünfte
Dr. Reto Neuweiler Forschungsanstalt Wädenswil Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Spezialist für Beerenkulturen Natel 079 285 35 16
Kathrine Schwab Forschungsanstalt Wädenswil Kommunikation 01 783 62 72 Natel 076 517 96 98