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"Made in Germany" auf Talfahrt
Leitartikel von Raik Hannemann

Berlin (ots)

London hat in den vergangenen zwei Wochen grandiose Sommerspiele erlebt mit allem, was den Sport so anziehend macht: spannende Wettkämpfe mit leistungsstarken Athleten, überzeugende Organisation und dabei ein fachkundiges Publikum, dessen Begeisterungsfähigkeit britische Tradition fortsetzt. Einzig das Kampfrichterwesen scheint mit der selbst in Randsportarten ständig steigenden Professionalisierung nicht immer Schritt halten zu können, für ein Sportfest dieser Dimension leisteten sich Regelhüter einfach zu viele Patzer. Trotz schwachen Starts bringen deutsche Olympiateilnehmer am Ende sogar mehr Edelmetall heim als vor vier Jahren aus Peking, der deutsche Goldkurs sank allerdings weiter - von 16 Siegerplaketten auf bislang zehn. "Wir sind stolz auf die Mannschaft", zieht der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach, allerdings ein positiveres Fazit als angebracht. Denn was haften bleiben wird von diesen Spielen, ist nicht der Stopp des rapiden deutschen Abwärtstrends seit der Wiedervereinigung, sondern Probleme, die Bach nun dringend angehen sollte. Das Kommunikationsdesaster um die gerichtlich erzwungene Veröffentlichung der Zielvereinbarungen des DOSB mit seinen Sportfachverbänden mag schnell verhallen, zumal die realitätsfremden Medaillenziele darin nicht überbewertet werden sollten. Es steht allerdings für ein Problem, das viele Sportler mit ihren Unmutsbekundungen dauerhafter auf die Tagesordnung hieven. Es fehlt zweifellos an Transparenz und der nötigen Diskussionskultur im und vor allem auch über den Sport und seine gesellschaftliche Rolle. Der Mangel an Transparenz über sämtliche Fördermaßnahmen erschwert nicht nur die Effektivitätsbewertung der Arbeit der Sportfunktionäre, dass die von Föderalismus gehemmte Sportförderung insgesamt überarbeitet gehört, ist aber unstrittig. Einhergehen muss aber der Diskurs, was die Gesellschaft eigentlich erwartet - und was ihr der Sport auch wert ist. Es sind politische Bekenntnisse abzufordern, was die Vorbildfunktion der Athleten in puncto Leistungsbereitschaft kosten darf. Wer die in der Wirtschaft erfolgreiche Marke "Made in Germany" nicht beschädigen will, darf im Medaillenspiegel bei Olympia ja auch künftig nicht zwischen Kasachstan und Äthiopien stehen. Zumal die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung empirisch belegt ist, dass der Sport für die Außendarstellung Deutschlands wichtiger ist als Kultur, Wirtschaft oder Politik. Die Entwicklung eines moderneren Leistungssport-Managements mit mehr Linienführung und Einigkeit in der Umsetzung steht auch in Berlin an. Das Ziel von zehn obersten Podestplätzen kann heute erfüllt werden, Robert Harting und die Beachvolleyball-Helden Julius Brink/Jonas Reckermann haben sogar die emotionalsten Goldmomente fabriziert. Doch das sollte nicht hinwegtäuschen darüber, dass bei den optimalen Bedingungen am Olympiastützpunkt mehr möglich sein sollte. Nicht nur bei den Schwimmern, die für den Totalausfall dieser Spiele sorgten. Denn eines hat London auch gezeigt: Der Wettbewerb wird immer härter.

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