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Berlin schaut auf den Machtpoker an der Saar - Leitartikel

Berlin (ots)

Das Land ist klein und recht weit weg, von Berlin aus gesehen. Trotzdem: Ein bisschen Stimmung zur politischen Lage im ganzen Lande wird sich herauslesen lassen aus der just beschlossenen Neuwahl im Saarland. Die Antwort darauf, wie stark sich der Glaubwürdigkeitsverlust von Bundespräsident Christian Wulff auf dessen Partei, die CDU, überträgt, zum Beispiel. Oder wie die FDP den nächsten zu erwartenden Niederschlag wegsteckt, wenn sie auch aus dem Saarbrücker Landtag fliegt. Wahrlich keine Aufmunterung für die ein paar Wochen spätere Wahl im Norden. Dort steht nicht nur das Überleben der FDP und das ihres schwankenden Vorsitzenden Philipp Rösler auf dem Spiel. Möglicherweise auch schon die Existenz der schwarz-gelben Merkel-Koalition. Klar ist: Die Dame Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich ganz schön verzockt. Saarlands Halbjahres-Ministerpräsidentin ließ zwar aus einsichtigen Gründen die Jamaikakoalition platzen, ging aber davon aus, mit der SPD als Austauschpartner in einer großen Koalition unter ihrer Ägide weiterzuregieren. Eine Rechnung ohne die nicht minder machthungrige SPD. Die liegt in Umfragen knapp vor der CDU, bestand deshalb auf einer Neuwahl in der Erwartung, endlich wieder den Ministerpräsidenten an der Saar zu stellen. Dass die Verhältnisse dort noch immer ganz besondere sind, haben die beiden Großen jetzt einmal mehr bestätigt. Sie haben sich bereits auf eine große Koalition nach dem Wahltag verständigt. Einzig noch fraglich: Wird CDU-Frau Kramp-Karrenbauer oder SPD-Mann Heiko Maas Regierungschef? Eine Wahl wird zur Farce. Denn sie ist keine Abstimmung über echte Alternativen, sondern eine reine Machtfrage zwischen zwei Kandidaten, die - wie im Saarland nicht unüblich - Duzfreunde sind. Dennoch ist die Wahlposse im kleinsten Flächenland der Republik, deren eine Million Einwohner auch 55 Jahre nach dem Beitritt zur Bundesrepublik noch immer Minderwertigkeitsgefühle plagen, eben keine rein regionale Angelegenheit. Als Vorläufer für die Abstimmung am 6. Mai in Schleswig-Holstein wird sie eine von nur zwei Wahlen in diesem Jahr vor den großen politischen Schlachten 2013 sein. Ist die schon angekündigte große Koalition an der Saar das Signal auch für Berlin? Im Willy-Brandt-Haus wird das vehement zurückgewiesen. Aber je lauter, desto zweifelhafter die Überzeugung. Denn die langfristigen Umfragen engen die Alternativen der SPD eher ein. Mit den Grünen würde es - wenn überhaupt - nur ganz knapp für eine Regierung reichen. Die Linkspartei kommt weiter aus inhaltlichen Gründen nicht infrage. Eine Neuauflage der großen Koalition im Bund ist also nicht so fern, wie noch suggeriert wird. Für die SPD allerdings bleibt sie ein Gespenst. Seit Monaten liegen Angela Merkel und die CDU klar vor der SPD. Zwingen die Wähler beide Parteien zu einem erneuten Bündnis, wäre Angela Merkel die große Siegerin, die SPD aus heutiger Sicht wohl erneut der verlierende Juniorpartner. Zurück ins Saarland: Ein Sieg dort und dann einer in Kiel wären für die SPD der ersehnte Motivationsschub, nicht noch einmal an der Seite einer Kanzlerin Merkel unterzugehen. Deshalb blickt Berlin gespannter als zugegeben an die Saar.

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