Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Tropfen auf den heißen Stein, Kommentar zur Negativ-Verzinsung bei der Commerzbank von Björn Godenrath

Frankfurt (ots)

Für den geplagten deutschen Sparer ist das Stichwort "negativer Einlagenzins" äußerst emotional besetzt. Dass man für das Parken kurzfristiger Gelder bei seiner Bank eine "Guthabengebühr" - diesen Terminus prägte am Donnerstag die Commerzbank - berappen muss, empfindet der Teutone als Frechheit.

Mit dem Erreichen der psychologischen Marke "Nullzins" hat bei der vermögenden Klientel bereits ein Fluchtinstinkt eingesetzt: Um dem befürchteten negativen Einlagenzins auf ihre Depositen auszuweichen, bringen vermögende Kunden ihr Erspartes in Bankschließfächern unter. Tresorfläche, so ist zu hören, wird langsam knapp in der Mainmetropole. Dabei scheinen die Sparfüchse auszublenden, dass auch dafür eine Aufbewahrungsgebühr zu entrichten ist: Ein mittelgroßes Tresorfach in der Schweiz kostet statt 500 Euro bald 600 Euro. Und die Commerzbank hat bereits Mitte September die Tresormieten angehoben - ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Unsere Banken wissen sich eben, im Guten wie im Schlechten, den Marktgegebenheiten anzupassen.

Aufreger des Tages ist aber die Commerzbank mit ihrer bemerkenswerten Kehrtwende in Sachen negativer Einlagenzins. Ab Dezember sollen einzelne große Firmenkunden mit hohen Guthaben einen Strafzins analog zum EZB-Satz für Bankdepositen bei ihr zahlen. Dabei ist es keine 14 Tage her, dass CFO Engels zu Protokoll gab, dass er sich eine solche Maßnahme nicht vorstellen kann. Da hätte er besser den Mund gehalten.

Bei näherer Betrachtung sind im Hause Commerzbank aber noch nicht alle Dämme gebrochen, trifft der Strafzins doch nur einen Bruchteil der Firmenkunden, die mit ihren Geldern schlicht und einfach in alternative Anlageformen gedrängt werden - und daran ist nichts Verwerfliches. In Deutschland muss noch kein einziger echter Privatkunde einen Depositen-Strafzins bezahlen - und die Banken tun gut daran, von diesem Tabubruch die Finger zu lassen, sind die Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf die eigene Erfolgsrechnung doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Privatkunden sollten derweil ihren Realitätssinn schärfen, befinden sich die Einlagenzinsen unter Berücksichtigung vormals höherer Inflationsraten doch bereits seit geraumer Zeit in negativem Terrain. Was derzeit stattfindet, ist lediglich ein weiteres Kapitel im Fortsetzungsroman "Enteignung der Sparer".

Doch welcher Irrsinn kommt als Nächstes? Die in den USA postulierte Abschaffung des Bargeldes wirkt wie ein schlechter Witz. Dann doch lieber Bargeld mit dem Helikopter verteilen.

Kontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung
  • 19.11.2014 – 20:25

    Schreckgespenst, Kommentar zu Apple Pay von Karin Böhmert

    Frankfurt (ots) - Das Ende traditioneller Geschäftsmodelle des Zahlungsverkehrs - das Thema der Payments Konferenz im Rahmen der Euro Finance Week hätte nicht besser gewählt sein können. Denn es scheint, als ob die Bankenbranche derzeit ertragsseitig austrocknet. Als ob Banken nicht schon genug mit externen Zwängen und Regulierungen zu kämpfen hätten, die hohe Kosten verursacht haben, wie Finanzkrise und ...

  • 18.11.2014 – 20:55

    Europa an der Leine, Kommentar zum EU-Haushalt von Detlef Fechtner

    Frankfurt (ots) - Überrascht hat es niemanden, besorgt darüber ist kaum einer: Die Europäische Union ist mal wieder damit gescheitert, sich übers Geld zu einigen. Die Frist, um im ersten Anlauf eine Verständigung zwischen EU-Parlament und den im Rat vertretenen nationalen Regierungen über die Finanzierung der Staatengemeinschaft im nächsten Jahr zu erreichen, ist in der Nacht zum Dienstag abgelaufen. Gewiss, die ...

  • 17.11.2014 – 20:25

    Missglückter Balanceakt, Kommentar zur japanischen Konjunktur von Martin Fritz

    Frankfurt (ots) - Japans Premier Shinzo Abe wollte zugleich die Deflation durch Mehrausgaben besiegen und die Neuverschuldung durch eine höhere Verbrauchssteuer bremsen. Dieser Balanceakt ist missglückt. Seine nach ihm benannte Abenomics-Strategie besteht aus drei "Pfeilen": Expansive Geldpolitik, höhere Staatsausgaben und Strukturreformen sollen das Wachstum ...