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Verdrängte Lehren, Kommentar zum britischen Haushalt von Peter Rásonyi

Frankfurt (ots)

In einer kurz vor seinem Amtsantritt im Frühjahr 2010 gehaltenen Rede hatte der heutige britische Schatzkanzler George Osborne gemahnt, ein nachhaltiger Aufschwung müsse von einem neuen Gleichgewicht der Wirtschaft begleitet sein. Das bedeute: eine höhere Sparquote, höhere Unternehmensinvestitionen und höhere Exporte. In seiner Budgetrede am Mittwoch im Parlament kam das Wort Gleichgewicht nicht mehr vor. Der plötzliche kräftige Aufschwung vom vergangenen Jahr hat die Warnungen und Lehren der Finanzkrise weggewischt.

Dafür gibt es allerdings keinen Grund. Keine von Osbornes einstigen Forderungen ist erfüllt. Der Konsumboom, der den jüngsten Aufschwung trägt, wird maßgeblich durch eine markante Reduktion der Sparquote der privaten Haushalte getragen. Jene ist 2013 auf sehr niedrige 5,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gefallen, fast halb so viel, wie die deutschen Haushalte jedes Jahr auf die Seite legen. Die Unternehmensinvestitionen lagen 2013 ein Viertel tiefer als 2005. Und die Exportindustrie hat von der Abwertung des britischen Pfunds nie zu profitieren vermocht. Großbritannien hat im vergangenen Jahr im Umfang von 7% des BIP mehr Güter eingeführt als ausgeführt. Auch unter Berücksichtigung der Dienstleistungen war das Leistungsbilanzdefizit mit 3,7% des BIP eines der höchsten in der westlichen Welt. Diese Zahlen bedeuten nichts anderes, als dass der Aufschwung durch riesige Geldtransfers aus dem Ausland und vermindertes Sparen der privaten Haushalte finanziert wird. Beides wird von der Regierung tatkräftig gefördert, doch das ist nicht nachhaltig. Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, hat diese Woche gewarnt, man müsse nicht ein Genie sein, um zu sehen, dass sich wegen der Politik langfristig niedriger Zinsen wieder ähnliche Risiken für die Stabilität aufbauten wie vor der Krise.

Was tun? Carney verteidigte energisch seine extrem lockere Geldpolitik. Er beschwichtigte Bedenken mit der Versicherung, die Notenbank habe heute, als Folge der jüngsten Reformen, neben der Geldwertstabilität auch die Stabilität des Finanzplatzes und der Banken unter ihrer Kontrolle. Das erlaube das Eingehen höherer monetärer Risiken. Die Notenbank verfüge heute über ein viel größeres Instrumentarium, um Stabilitätsrisiken im Finanzsystem früh zu begegnen. Dass das ein tauglicher Ersatz für eine langfristig auf eine nachhaltige Stärkung der Produktivität und Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft ausgerichtete Politik ist, erscheint aber zweifelhaft.

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