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Trendwende voraus, Börsenkommentar "Marktplatz", von Thorsten Kramer.

Frankfurt (ots)

An den Finanzmärkten braut sich etwas zusammen. Die ausgeprägte Sorglosigkeit passt jedenfalls nicht in den fundamentalen Rahmen, der nun wieder stärker von der Staatsschuldenkrise im Euroraum sowie trüben Konjunkturdaten aus Europa und den Vereinigten Staaten bestimmt wird. Das Risiko für eine Trendwende bei risikobehafteten Assetklassen steigt. Dies gilt nicht zuletzt für europäische Aktien.

Bis zuletzt dominierte die Überzeugung der Investoren die Märkte, dass die Politik und die Notenbanken schon alles dafür unternehmen werden, die europäische Währungsunion zu stabilisieren und die globale Wirtschaft zu beleben. Deshalb zogen die Notierungen von Aktien und vielen Rohstoffen aufs Neue an, und auch am Markt für Staatsanleihen setzte eine Entspannung ein. Nach den jüngsten Ereignissen wie etwa den massiven, teilweise gewaltsamen Protesten gegen neue Sparprogramme in Spanien und Griechenland, dem unerwarteten Rückgang des Auftragseingangs für die US-Industrie sowie dem Rutsch des Einkaufsmanagerindex Chicago unter die Expansionsschwelle wachsen unter Investoren aber neue Zweifel. Der beruhigende und in der Folge kurstreibende Effekt der jüngsten Maßnahmen der Notenbanken dürfte somit auslaufen. Der spürbare Anstieg der Renditen spanischer Staatsanleihen liefert dafür bereits ein handfestes Indiz.

Spanien gilt unter Analysten als nächster Kandidat für den europäischen Rettungsschirm. Doch selbst für den Fall, dass die Regierung nach Hilfe ruft, kann dem unter hoher Arbeitslosigkeit und geringer Wettbewerbsfähigkeit ächzenden Land nach Überzeugung von Analysten keine schnelle Erholung gelingen. Sie fragten sich nach der Ankündigung der neuen Einschnitte beispielsweise, wie man bei einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung mit steigenden Steuereinnahmen planen könne. Dies erhöht die Verunsicherung. Die wirtschaftliche Entwicklung, so die allgemein zu hörende Einschätzung, wird in jedem Fall längerfristig schleppend verlaufen.

Kurzfristig könnte die Europäische Zentralbank einen neuen impulsgebenden Kontrapunkt setzen, sollte sie nun am Donnerstag entgegen der Erwartung vieler Beobachter den Leitzins doch auf 0,5% absenken. Mittelfristig muss aber endlich eine tragfähige und umfassende politische Lösung her. Insbesondere dann, wenn die Krisenstaaten weiterhin stark darauf bedacht sind, Aufschub für die Umsetzung der notwendigen Reformen zu erreichen, wächst mit jedem weiteren Mal die Gefahr, dass sich das Verhältnis zu den Nordländern derart eintrübt, dass Marktteilnehmer womöglich auf einen Euro-Austritt eines dieser starken Staaten spekulieren. Dass dies keinesfalls unmöglich erscheint, zeigt sich darin, dass am Dienstag die Finanzminister aus Deutschland, Finnland und den Niederlanden betonten, dass der erweiterte Euro-Rettungsschirm ESM nur über künftigen Problemfällen von Banken aufgespannt werden soll. "Altlasten" wie etwa in Spanien sollen dagegen in der Verantwortung der jeweiligen Regierungen bleiben.

Von Konjunkturseite drohen in der neuen Woche weitere Enttäuschungen. Das Interesse der Investoren findet dabei - neben dem viel beachteten Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie - der monatliche Bericht vom US-Arbeitsmarkt. Die jüngst beschlossenen Maßnahmen der Federal Reserve zielen in erster Linie auf eine Belebung des Arbeitsmarktes, aber Volkswirte geben sich sehr sicher, dass am nächsten Freitag wieder nur mit einem schwachen Aufbau der Beschäftigung in der stark konsumabhängigen weltgrößten Volkswirtschaft zu rechnen ist. Dies ist nicht zuletzt für exportstarke europäische Unternehmen zunehmend ein Problem, denen bereits die Nachfrageschwäche auf dem "Binnenmarkt Europa" zu schaffen macht.

Als zusätzlichen Belastungsfaktor sehen Marktteilnehmer die nun näher rückende Berichtssaison für das abgelaufene dritte Quartal. Speziell die Gewinnschätzungen für das Jahr 2013 erscheinen vielen nun angesichts der maximal verhaltenen konjunkturellen Perspektiven sehr ambitioniert. Die zu erwartenden Revisionen der Gewinnschätzungen dürften dazu beitragen, dass sich das Bild an Europas Aktienmärkten eintrübt. Da Aktien im Vergleich zu anderen Anlageklassen aber weiterhin attraktiv erscheinen, rechnen Beobachter eher mit einer Konsolidierung als mit einer Korrektur. Darauf sollten sich Anleger aber nicht verlassen: Auch der kräftige Anstieg seit Juni hat die meisten Marktteilnehmer in seinem Ausmaß überrascht.

(Börsen-Zeitung, 29.9.2012)

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