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Auf dem Gipfel, Kommentar zu den jüngsten Arbeitsmarktdaten für Deutschland, von Reinhard Kuls.

Frankfurt (ots)

Am deutschen Arbeitsmarkt ist offenbar der Gipfel des Aufschwungs erreicht. Fast ununterbrochen ist seit drei Jahren die Zahl der Arbeitslosen Monat für Monat gesunken, wenn man die saisonüblichen Schwankungen herausrechnet. Nun hat sie in den zurückliegenden drei Monaten leicht zugelegt, die Beschäftigung aber erklimmt nach wie vor alle vier Wochen neue Rekordhöhen. Unterm Strich stagniert der Arbeitsmarkt - jedoch auf einem sehr hohen Niveau.

Derzeit erlebt Deutschland ganz offensichtlich einen konjunkturellen Dämpfer, da die Euro-Schuldenkrise zu immer mehr Verunsicherung in den Unternehmen führt und diese zurückhaltender agieren lässt. Hinzu kommt die anhaltende Nachfrageschwäche an einer ganzen Reihe von Absatzmärkten der deutschen Exportindustrie. Was die deutsche Volkswirtschaft aber noch immer auf dem Wachstumspfad hält - auch wenn dieser flacher verläuft als noch vergangenes Jahr - ist die gute Binnenkonjunktur. Sie stützt sich zunehmend auf die robuste Nachfrage der Privathaushalte, die wiederum auf der immer höheren Beschäftigung und dem zuletzt etwas üppigeren Lohnzuwachs ruht.

Deutschland hat es unter großer Mühsal, nämlich mit den schmerzlichen Reformen des Arbeitsmarkts und des Sozialsystems, auf den Gipfel der rekordhohen Beschäftigung geschafft. Welche Form dieser Gipfel nun annimmt, hängt letztlich davon ab, ob die Staatsschuldenkrise - vorrangig diejenige in Europa, aber auch die USA stehen ja tief in der Kreide - eskaliert oder ob sie absehbar einer glaubwürdigen Lösung zugeführt wird.

Sollte eine akzeptable Perspektive für die Währungsunion gefunden werden, kann sich der Gipfel als Plateau erweisen. Dieses dürfte dann zwar eher etwas wellig sein, so dass man sich auf ein leichtes Auf und Ab der monatlichen Zahlen aus Nürnberg wird einstellen müssen, ohne dass sich aber an dem grundsoliden Niveau letztlich viel ändert.

Sollte aber keine Lösung in der Euro-Krise gefunden werden, die Währungsunion gar auseinanderbrechen, wird der Gipfel sich als scharfkantige Spitze erweisen und der Arbeitsmarkt ganz schnell abstürzen, schneller noch als in früheren Jahren. Denn durch die Reformen ist die Reaktionszeit des Arbeitsmarkts auf gesamtwirtschaftliche Wenden verkürzt worden, und zwar in beide Richtungen. Sicher, es gibt inzwischen erprobte Instrumente zum Ausgleich kurzfristiger konjunktureller Einbrüche. Ein Fundamentaldesaster, wie es die Euro-Krise auslösen könnte, lässt sich damit jedoch nicht beheben.

(Börsen-Zeitung, 29.6.2012)

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