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Erstaunlicher Gleichmut, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Eigentlich haben die Akteure auf den europäischen Kapitalmärkten die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich und Griechenland mit erstaunlichem Gleichmut aufgenommen. Der neue französische Staatspräsident François Hollande wehrt sich gegen das, was er als europaweites deutsches Spardiktat auffasst. Und die Griechen haben in ihrer Mehrheit dem mühsam ausgehandelten harten Sanierungsplan für ihr Land eine Absage erteilt, denn die Parteien, die dem Plan zugestimmt haben, sind im neuen Parlament in der Minderheit. Vor diesem Hintergrund kann man mit einem Dax, der im Vergleich zum Schlussstand der Vorwoche 0,3% zugelegt hat, überaus zufrieden sein. Allerdings haben zu dem Endspurt am Freitag auch freundlich ausgefallene Konjunkturindikatoren aus den USA beigetragen. Und für den gesamten Mai ergibt sich bislang ein Dax-Minus von 2,7%. Der Euro ist zwar aus seiner Handelsspanne von 1,30 bis 1,35 Euro herausgefallen. Die Verluste halten sich allerdings auch in Grenzen, die Gemeinschaftswährung verharrt immerhin einigermaßen stabil oberhalb von 1,29 Dollar.

Nicht alles verloren

Was die politische Lange betrifft, so hat sich das Bild zwar deutlich eingetrübt. Noch aber erscheint nicht alles verloren. So gehen viele Beobachter davon aus, dass Hollande nur einen kleinen Teil seiner Wahlversprechungen in die Realität umsetzen kann und dass der Wachstumspakt, den der Franzose neben den Fiskalpakt stellen will, bestenfalls einer der typischen EU-Kompromisse sein wird, die in der Praxis kaum Wirkung zeigen - wenn er überhaupt durchsetzbar ist.

Hinsichtlich der durchaus als verfahren zu bezeichnenden Situation in Athen hat sich immerhin Erleichterung breitgemacht, dass es Alexis Tsipras, dem Chef des Linksbündnisses, nicht gelungen ist, eine Regierung zu formieren. Nun deutet vieles darauf hin, dass es Neuwahlen gibt, wobei der 17. Juni als wahrscheinlichster Termin gilt. Viele Anleger hoffen, dass sich bis dahin die Proteststimmung der Wähler wenigstens teilweise gelegt hat, so dass die Parteien, die den Kompromiss mit Brüssel tragen, zusammen wieder auf eine Mehrheit kommen.

Die Zeit drängt

Allerdings drängt die Zeit: Bis Ende Juni müssen Regierung und Parlament ein neues Sparpaket im Volumen von 11,5 Mrd. Euro beschlossen haben, damit Brüssel zusätzliche Gelder für das Land freigibt. Sollte keine Regierung zustande kommen - oder sich eine herausbilden, die den Sparkurs ablehnt - würden die nächsten Finanzhilfen ausbleiben und das Land relativ schnell abrutschen.

Warnung von Fitch

Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone - dem Credit Suisse beispielsweise eine Wahrscheinlichkeit von 15% beimisst - hätte für die gesamte Europäische Union Folgen. Die Ratingagentur Fitch hat am Freitag darauf hingewiesen, dass dann die Ratings sämtlicher Staaten der Eurozone auf Downgrades hin geprüft würden.

Um die verhaltene Reaktion am Aktienmarkt zu verstehen, gilt es zu berücksichtigen, dass der Dax gegenüber seinem bisherigen Jahreshoch bereits ordentlich Federn gelassen hat. Er hat rund 800 Punkte eingebüßt. Auf Basis der Gewinne der kommenden zwölf Monate ist er mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 8,4 sehr günstig bewertet. Die Dividendenrendite ist zudem mit 4,1% sehr hoch. Negative Reaktionen sind also schon zu einem großen Teil vorweggenommen - für die Analysten der Helaba herrscht derzeit ein "übertriebener Pessimismus" vor. Dafür spricht auch, dass die implizite Aktienmarktvolatilität inzwischen wieder auf Krisenniveau gestiegen ist.

Neben den Griechenland-Ängsten ist die Tatsache, dass der Dax ungefähr die Hälfte seiner Gewinne des laufenden Jahres wieder abgegeben hat, auch darauf zurückzuführen, dass die Konjunktur in der Eurozone längst nicht so gut läuft, wie sich dies viele Investoren erhofft hatten. Allerdings gibt es auch positive Aspekte: So ist die Quartalssaison für die Unternehmen im Dax sowie im Euro Stoxx 50 im Schnitt besser ausgefallen als von den Investoren erwartet.

Insofern ist zu erwarten, dass die Anleger auch weitere schlechte Nachrichten aus Griechenland oder auch Spanien, wo die Regierung jetzt den Banken unter die Arme greifen muss, mit einem gewissen Gleichmut über sich ergehen lassen. Sollte der positive Trend bei den Quartalsberichten anhalten und sollten die nächsten Konjunkturdaten positiv ausfallen, ist am Aktienmarkt sogar eine gewisse Erholung drin.

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