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Deutsche Gesellschaft für Infektiologie

Influenzapandemie
Deutsche Gesellschaft für Infektiologie warnt: Empfehlungen ernst nehmen

München/Leipzig (ots)

Die Deutsche Gesellschaft für
Infektiologie (DGI) sieht mit Sorge, daß in den Verhandlungen der
Länder zur Vorbereitung auf eine mögliche Influenza-Pandemie
Festlegungen getroffen wurden, die der Expertenmeinung und
Empfehlungen der WHO zuwiderlaufen.
Zur Zeit läuft die Umsetzung des Influenza-Pandemieplanes auf
Hochtouren. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat einen Pandemieplan
erstellt, der im Detail Vorschläge zum Management von Erkrankten, der
Sicherstellung der medizinischen Versorgung im ambulanten und
stationären Bereich und der Bevorratung mit antiviralen Medikamenten
und Impfstoffen konkretisiert hat. Insbesondere um die Einlagerung
von Neuraminidasehemmern sind, vornehmlich aus Kostengründen, heftige
Diskussionen entbrannt. Die DGI betrachtet den momentanen Verlauf der
Detailplanung als sehr problematisch.
Umsetzung des Pandemieplans: WHO Empfehlung nicht gefolgt
Impfstoffe werden frühestens ein halbes Jahr nach Beginn der
Pandemie zur Verfügung stehen, und dann auch nicht in ausreichender
Menge. Daher ist die antivirale Therapie und Prophylaxe die einzige
Option in den ersten Monaten einer Pandemie. Die DGI und weitere
deutschen Fachgesellschaften empfehlen im Einklang mit der WHO
Oseltamivir als erste Option zur Prophylaxe und Therapie.
Die Konferenz der Landesgesundheitsminister hat in ihrer letzten
Sitzung beschlossen, neben Oseltamivir auch Zanamivir zu bevorraten.
Auf welchen wissenschaftlichen Daten diese Empfehlung beruht, bleibt
Experten unklar. Der Neuraminidasehemmer Zanamivirsteht nur zur
Inhalation zur Verfügung und ist daher zur Behandlung der aviären
Influenza ungeeignet. Die bisher vorliegenden Daten von an H5N1
Erkrankten zeigen, daß es dabei zu einer schweren invasiven viralen
Pneumonie kommt, mit Influenzavirussnachweis im Lungengewebe und
teilweise auch in anderen Organen (Gehirn, Herzmuskel). Hier kann nur
eine auch systemisch wirksame Substanz empfohlen werden. Amantadin,
eine schon lange bekannte Substanz mit Wirksamkeit gegen
Influenzavirus A, ist gegen H5N1 unwirksam und mit häufigen
Nebenwirkungen behaftet.
Deutschland nur gegen Pockenepidemie geschützt: Politik gefordert
Ohne umfassende Vorbereitungsmaßnahmen droht eine medizinische
Katastrophe. Nach Modellrechnungen muß in Deutschland mit bis zu 20
Millionen zusätzlichen Arztbesuchen, 600000 stationär
behandlungspflichtigen Patienten und bis zu 160000 Toten gerechnet
werden. Der Pandemieplan empfiehlt die Bevorratung mit Oseltamivir
(Tamiflu(R)) sowohl zur Therapie als auch zur Prophylaxe. Eine
Prophylaxe ist unabdingbar, um das Gesundheitswesen mit bis zu drei
Millionen Beschäftigten und weitere Systeme des öffentlichen Lebens
funktionsfähig zu halten. Der Verlust an Menschenleben und die
wirtschaftlichen Schäden einer Pandemie übersteigen die Kosten für
eine ausreichende Bevorratung um ein Vielfaches. Für die ungleich
geringere Gefahr einer Pockenepidemie wurde vor Jahren für die
deutsche Gesamtbevölkerung ein Impfstoffvorrat mit Kosten in
dreistelliger Millionenhöhe angelegt.
Deshalb ist die DGI auch zuversichtlich, daß die Entscheidung
hinsichtlich der Vorbereitungen für eine Influenzapandemie den
tatsächlichen Notwendigkeiten und nicht politischen
Wunschvorstellungen angepasst wird. Andernfalls muß die Politik der
deutschen Öffentlichkeit erklären, warum der Rat von WHO und
Influenzaexperten nur teilweise umgesetzt wird und für welchen Teil
der Bevölkerung die limitierte Bevorratung zur Verfügung steht.
Derzeitige Entwicklung dramatisch
Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der
Meinung zahlreicher Experten ist eine weltweite Influenzapandemie nur
eine Frage der Zeit. Welches aviäre Influenza A-Virus der
apokalyptische Reiter sein wird, ist derzeit nicht vorhersehbar.
Derzeit geht die größte Gefahr von dem Vogelgrippevirus H5N1 aus, das
sich seit 1997 fest in der Vogelpopulation Südostasiens etabliert hat
und für mehrere Epidemien in den dortigen Geflügelbeständen
verantwortlich ist. Die erhebliche Mutationsfähigkeit dieses
Influenzavirussubtyps mit einer erheblichen Steigerung seiner
Pathogenität hat dazu geführt, daß die Letalität im infizierten
Geflügel von Jahr zu Jahr anstieg. Besondere Sorge bereitet die
Tatsache, daß inzwischen auch im Schwein der Influenzavirustyp H5N1
nachgewiesen wurde, das damit bei gleichzeitiger Empfänglichkeit für
humane Influenzaviren eine ideale Möglichkeit für die Entstehung
eines auch menschenpathogenen und leicht übertragbaren
Vogelgrippevirus bietet. Der Ausbreitung von Vogelgrippeviren wird
auch durch deren Verbreitung durch Zugvögel Vorschub geleistet. Vor
wenigen Tagen berichteten chinesische Wissenschaftler über den
Nachweis von H5N1 in Zugvögeln, von denen mehr als 1000 in Westchina
am der Vogelgrippe verendeten. Vor einer Influenzapandemie bewahrt
uns derzeit nur die Tatsache, daß es bisher nur bei direktem Kontakt
mit infiziertem Geflügel zu einer Übertragung von  H5N1  auf den
Menschen kam. Nur in Einzelfällen konnte bei engem Kontakt auch eine
Mensch-zu-Mensch Übertragung wahrscheinlich gemacht werden. Die
Entstehung einer auch leicht von Mensch-zu-Mensch übertragbaren
Virusvariante ist nach Aussagen von Experten nur eine Frage der Zeit.
Seit Beginn 2004 sind ca. 100 Menschen in Südostasien (bes. Vietnam)
an der Vogelgrippe erkrankt; die Sterblichkeit war deutlich höher als
bei der "normalen" Influenza und lag bei 50-80%.

Pressekontakt:

Prof. Dr. F.D. Goebel
1. Vorsitzender der DGI
Med. Poliklinik der LMU München
E-Mail: Frank.Goebel@med.uni-muenchen.de

Prof. Dr. B.R. Ruf
Klinikum St. Georg Leipzig
E-Mail: ruf@sanktgeorg.de