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Discours Suisse: Luganos steiniger Weg zur Kulturstadt

Bern (ots)

Lugano ist für vieles bekannt - aber nicht unbedingt
als Kulturstadt. Dies soll sich nun ändern. Am Seeufer entsteht ein 
riesiges Kunst- und Kulturzentrum.°
"Das Tessin ist trotz aller seiner Sehenswürdigkeiten Provinz", 
heisst es im Merian-Reiseführer von 1990. "Möchte man sich einmal vom
Volksnah-Kunsthandwerklichen der Museen und stereotyp Barocken vieler
Kirchen lösen, bleibt dem Feriengast nur die Fahrt nach Mailand oder 
aber ein Besuch der Privatsammlung Thyssen-Bornemisza in Castagnola."
An diesem Befund hat sich bis heute nicht viel geändert - ausser 
der Tatsache, dass sich die Sammlung alter Meister mittlerweile nicht
mehr in der Villa Favorita in Castagnola, sondern im Palacio de 
Villahermosa in Madrid befindet, wo sie jährlich von rund einer 
Million Besuchern besichtigt wird.
Aus Tessiner Sicht war es Pech, dass sich der im April 2002 
verstorbene Baron Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza auf seine alten 
Tage hin in eine ehemalige Miss Spanien verliebte. Nicht zuletzt auf 
deren Drängen verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Spanien.
Für Giovanna Masoni (FDP), die in Lugano für das Ressort Kultur 
zuständige Stadträtin, ist der Verlust der wertvollen Sammlung "umso 
schmerzlicher, wenn man sieht, was Madrid daraus gemacht hat", wie 
sie im Gespräch sagt.
Kulturelles Flair fehlt
Wohlhabende Leute gebe es im Tessin zwar durchaus, aber keine 
namhaften Kunstmäzene. Hierzulande habe der Reichtum erst nach dem 2.
Weltkrieg Einzug gehalten, als der Finanz- und Dienstleistungssektor 
einen beispiellosen Boom erlebte.
"Leider ging der Wohlstand nicht einher mit einem Flair für die 
Kultur", sagt die Anwältin Masoni und erinnert daran, dass 
beispielsweise die Universität Basel eine über 500-jährige Tradition 
habe. In Lugano hingegen sei die Uni gerade mal gut zehn Jahre alt.
Laut Masoni ist die grösste Stadt des Südkantons derzeit "damit 
beschäftigt, das Versäumte aufzuholen". Einen Quantensprung 
verspricht sie sich von dem Kunst- und Kulturzentrum, das im 
ehemaligen Hotel Palace am Seeufer entsteht.
Lugano lässt sich das Projekt 169 Mio. Franken kosten. Es handelt 
sich um die grösste Investition in der Geschichte der Stadt. Bis 2012
soll ein Museum mit einer Ausstellungsfläche von 2100 Quadratmetern 
sowie ein Konzert- und Theatersaal mit 1000 Plätzen entstehen.
Das Projekt schliesse eine Lücke, betont Masoni. Denn im Tessin 
gebe es weder grosse Theater- noch Konzertsäale, und die meisten 
Museen seien nicht als solche konzipiert worden, sondern in 
ehemaligen Herrschaftshäusern untergebracht.
Für Bignasca ist Kultur Geldverschwendung
Eines davon ist das "Museo delle Culture extraeuropee", das sich 
in der Villa Heleneum in Castagnola befindet und vor kurzem sein 
20-jähriges Bestehen feierte. Das Museum, das sich im Besitze der 
Stadt Lugano befindet, ist zu einem unfreiwilligen Symbol für den 
Tessiner Kulturkampf geworden.
Lega-Präsident Giuliano Bignasca beispielsweise, Masonis grösster 
Widersacher in der Stadtregierung von Lugano, hält nicht nur das 
geplante Kulturzentrum für Geldverschwendung. Auch das Museum der 
aussereuropäischen Kulturen ist ihm ein Dorn im Auge.
Das Museum mit "all seinem afrikanischen Plunder" solle man ein 
für alle Mal schliessen und damit der Geldvernichtung ein Ende 
setzen. Wenn man das Gebäude verkaufe, könne man mit einem Erlös von 
15 Mio. Franken rechnen, schrieb Bignasca kürzlich in seinem 
Parteiblatt.
"Eine Attraktion, auf die wir stolz sein können"
Bisher stiess der Bauunternehmer mit seinen Forderungen nach 
Budgetkürzungen in der Kultur allerdings auf taube Ohren. Der Erfolg 
der zukünftigen Kulturpolitik hänge vom politischen Konsens ab, ist 
Masoni denn auch überzeugt.
Luganos Renommée als Kulturstadt soll dereinst bis weit nach 
Italien ausstrahlen. Die Lombardei, räumt Masoni ein, verfüge zwar 
über Kultur im Überfluss. "Aber es gibt in Norditalien kein Museum 
für zeitgenössische Kunst. Unser Ziel ist es, modernen italienischen 
Künstlern in Lugano eine Plattform zu bieten."
In zwanzig Jahren werde man sich Lugano ohne das Kulturzentrum 
ebenso wenig vorstellen können wie Luzern ohne das KKL, sagt Masoni: 
"Wir werden eine Attraktion haben, auf die wir stolz sein können." 
Und die Reiseführer werden um ein Kapitel ergänzt werden müssen...

Kontakt:

Discours Suisse
c/o FORUM HELVETICUM
Paolo Barblan
Postfach
5600 Lenzburg 1
Tel.: +41/62/888'01'25
Fax: +41/62/888'01'01
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