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Neues aus dem Taubenschlag, Kommentar zur Deutschen Bank von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots)

Sepp Blatter, Günther Jauch, Gregor Gysi - und nun auch noch Anshu Jain und Jürgen Fitschen: Götter-, zumindest Vorsitzendendämmerung. Ein wenig ist der Rücktritt jedenfalls eines der beiden Co-Chefs eine Art Blatterisierung der Deutschen Bank. Deren langjähriger oberster Investmentbanker rief zwar auf der Hauptversammlung nicht: "Let's go Deutsche!" Seine wiederholten Beteuerungen, er, der einstige Anführer auch von Übeltätern, könne den Blauen am besten dienen, indem er sich der Verantwortung dadurch stelle, dass er im Amt bleibe, ähnelten dennoch stark dem Auftritt des Präsidenten des Weltfußballverbandes ("Let's go Fifa") nach der neuerlichen Wiederwahl, in der Blatter "das Beste für die Organisation" zu sehen wähnte. Vier Tage später trat er zurück.

Am Sonntag nun fand Jain, mit der Strategie 2020, die die Bank auf Erfolgskurs bringe, sei es "die richtige Entscheidung für die Bank und für mich, eine neue Führung zu etablieren". Wie Blatter erkennen musste, gewählt zu sein, aber über kein "Mandat der gesamten Fußballwelt" zu verfügen, haben Jain und sein Compagnon Fitschen zu akzeptieren, dass sie zwar vom Aufsichtsrat bis 2017 bestellt waren, ihnen indes die zunehmend vergrätzten Stakeholder die Gefolgschaft kündigten.

Die Entlassungspapiere für das Führungsduo hat schon die Hauptversammlung vor zweieinhalb Wochen ausgestellt: Armselige 61% der Anteilseigner stimmten für die Entlastung der Co-Chefs und straften den Restvorstand gleich mit ab - ein Vertrauensentzug ohne Beispiel. Die Aktionärsdemokratie funktioniert. Der von Paul Achleitner geleitete Aufsichtsrat - durch die Krise der Bank längst selbst beschädigt - sah sich nach dem geradezu vernichtenden Verdikt genötigt, die Reißleine zu ziehen. Die Reaktion relativ kurz nach dem Aktionärstreffen zeugt einerseits von Realitätssinn sowie von der Bereitschaft und der Fähigkeit zu schnellem und konsequentem Handeln.

Das letzte Aufgebot

Andererseits spricht es nicht unbedingt für den strategischen Weitblick eines Kontrollorgans und seines Vorsitzenden, wenn es auf der Vorstandsetage zugeht wie im Taubenschlag. Es ist dies der dritte Umbau der Führungsmannschaft binnen acht Monaten. Und wohl das ultimative Revirement: Achleitners allerletzter Schuss und das letzte Aufgebot der Deutschen Bank. Gelingt es dem Team um den designierten Alleinchef John Cryan nicht bald, die Skandalserie abzuschütteln, die Wende in Sachen Rechtskosten und Reputation herbeizuführen sowie Aktienkurs und Marktkapitalisierung spürbar voranzubringen, wäre es sicher besser, wenn der Letzte in der Frankfurter Taunusanlage das Licht ausmacht.

Die Abrechnung mit dem noch amtierenden Gespann fällt durchaus abgestuft aus. Das entspricht auch dem Stimmungsbild - nicht dem Abstimmungsbild - auf der Hauptversammlung. Fitschen, dem integren, hochanständigen und authentischen, aber mit dem Abarbeiten der Altlasten und dem proklamierten Kulturwandel vielleicht etwas überforderten Beziehungsbanker der alten Schule wird mit der Bitte, im Interesse eines geregelten Übergangs noch ein knappes Jahr weiterzumachen, der verdiente sehr ehrenwerte Abschied bereitet. Nebenbei: Ein früheres Ausscheiden wäre ein fatales Signal mit Blick auf den laufenden Münchener Strafprozess gewesen.

John wer?

Für Jain dagegen, der sich mit seinem bizarren Auftritt mit Simultanübersetzung auf der Hauptversammlung selbst zusätzlich demontiert hatte, reichen drei Wochen Restamtszeit gerade, um den Schreibtisch aufzuräumen. Dann geht er, kurioserweise zeitgleich mit seinem Intimfeind Rainer Neske, dem bisherigen Privatkundenvorstand. Den hätte man jetzt noch gut gebrauchen können, doch dieser Zug war schon vor dem Aktionärstreffen abgefahren.

Jain, dem Achleitner auch sehr freundliche, in diesem Fall ein gewisses Maß an Heuchelei nicht verbergende Worte hinterherruft, darf oder muss dann noch ein halbes Jahr als Berater zur Verfügung stehen. Er soll wohl das Aufräumen des milliardenteuren Porzellans unterstützen, das mindestens unter den Augen des vormaligen Investment-Banking-Chefs zerschlagen wurde, was bis heute weltweit als Arbeitsbeschaffungsprogramm für Aufsichtsbehörden, Gerichte und Anwälte dient.

Und der Neue? "John wer?", war man im ersten Moment versucht zu fragen, als die Personalie am Sonntag die Runde machte. Nun wird Cryan der 21. Chef in der 145-jährigen Geschichte der Deutschen Bank. Im zweiten Moment fallen einem durchaus Argumente für die Berufung des 54-jährigen Briten ein. Für ihn spreche weniger seine Tätigkeit als Europa-Präsident von Temasek, des Staatsfonds Singapurs (2012 bis 2014), "als vielmehr seine vorherige Arbeit als CFO der schweizerischen UBS, wo er von 2008 bis Ende 2010 mit Aufräumarbeiten in der Krise beschäftigt war". Damit habe er sich als Leiter des Prüfungsausschusses empfohlen, kommentierte die Börsen-Zeitung vor zwei Jahren Cryans Berufung in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Der ehemalige UBS-Konzernchef Oswald Grübel hatte Cryan 2010 bescheinigt, dessen Fachwissen und Kompetenz seien entscheidend für den Wiederaufbau der Finanzstärke der UBS nach der Krise gewesen.

Ein starkes Argument für Cryan kommt hinzu: Nach unzähligen Rechtshändeln, bei deren Aufarbeitung schon zig Milliarden verbrannt wurden, allzu überschaubaren Fortschritten in Sachen Kostenkontrolle und Kulturwandel sowie einem jämmerlichen strategischen Zickzackkurs kann es bei der Deutschen Bank nur besser werden. Das sieht auch die Börse so: Der Kurssprung der "DBK"-Aktie am Montag um bis zu 8% war ein klares "Herzlich willkommen" für Cryan.

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