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Entspannung am Ölmarkt, ein Kommentar von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Der Ölpreis hat nach dem geradezu traumatischen Fall um mehr als 60% auf unter 50 Dollar je Barrel Brent Crude seit Ende Januar eine beeindruckende Erholung hingelegt. Er hat sich inzwischen auf einem Niveau von rund 65 Dollar eingependelt, das er bis jetzt auch an Handelstagen mit einer ungünstigen Nachrichtenlage verteidigen kann. Damit scheint klar zu sein, dass der Niedergang des Ölpreis ausgestanden ist und dass nicht zu erwarten ist, dass die für die Ölförderer schlimmsten Befürchtungen noch eintreten. Einige Beobachter hatten den Brent-Preis bekanntlich schon bei 30 Dollar oder gar darunter gesehen.

Dies ist bemerkenswert, hat sich das Marktumfeld doch gegenüber der Zeit des starken Rückgangs des Ölpreises gar nicht so sehr zum Besseren gewandelt. Jedenfalls sieht es noch nicht danach aus, als hätten die Saudis ihr Ziel schon erreicht, den neuen Ölproduzenten aus Nordamerika, die den Energieträger per Fracking oder aus Ölsänden gewinnen, über Ultraniedrigpreise den Garaus zu machen. Gemäß den jüngsten Daten ist zwar die Zahl der aktiven Ölförderanlagen in den USA auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren zurückgegangen. Auf die tatsächliche Förderung schlägt das aber noch kaum durch. Die US-Produktion ist zwar seit mittlerweile rund drei Monaten Woche für Woche rückläufig. Die jeweiligen Rückgänge sind aber so klein, dass sie kaum ins Gewicht fallen.

Zudem ist die vorhergesagte Pleitewelle bei den kleinen und oftmals prekär finanzierten Ölförderern in den USA bislang ausgeblieben. Nordamerika produziert also weiter auf Teufel komm raus - wie übrigens auch die Saudis, Russland und die meisten anderen Förderländer. Damit ist das Problem der überquellenden Versorgung des Marktes nach wie vor gegeben.

Phase der Verlangsamung

Zudem ist die konjunkturelle Lage in weiten Teilen der Welt keineswegs rosig. Mit schwachen Wachstumsdaten schockten zuletzt die USA. Asien befindet sich immer noch in der Phase der konjunkturellen Verlangsamung und in Europa ist die Lage nach wie vor enttäuschend. Die bislang gedrückte Ölnachfrage wird demnach auf absehbare Zeit zu keinem neuen Höhenflug ansetzen.

Dass der Ölpreis angesichts dieser Lage nicht noch weiter nachgibt, darf als Zeichen dafür gesehen werden, dass die letzte Phase des Ölpreisrückgangs offenbar durch Übertreibungen geprägt war. Saudi-Arabien scheint zudem nicht mehr daran interessiert zu sein, den Preis weiter nach unten zu prügeln. Die jüngsten Kommentare aus Riad deuten jedenfalls darauf hin, dass man dort mit dem gegenwärtigen Preisniveau ganz zufrieden ist. Dies ist unter anderen wohl deshalb der Fall, weil der Ölpreis im US-Markt noch deutlich niedriger ist als die globale Benchmark Brent. Die US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) weist gegenüber Brent einen Abschlag von rund 8 Dollar je Barrel auf. Ein WTI-Preis von gegenwärtig rund 57 Dollar ist kein Umfeld, in dem die US-Ölbranche aufblüht. Insofern haben die Saudis immerhin den Anstieg der US-Produktion vorerst gestoppt.

Mit dieser Situation kann auch die Obama-Administration in Washington ganz gut leben. Sie ist zwar auf der einen Seite wegen der großen Umweltschäden kein Freund der Förderung aus unkonventionellen Quellen zumal nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass die Ölindustrie ihre umfangreichen Parteispenden traditionell zu einem großen Teil den Republikanern zukommen lässt.

Auf der anderen Seite war die US-Regierung aber zuletzt durchaus besorgt, was die negativen Auswirkungen des Ölpreisverfalls auf die amerikanische Volkswirtschaft betrifft. In Washington drängt man jedenfalls nicht mehr auf noch niedrigere Preise. Damit ist das Rückschlagpotenzial beim Ölpreis begrenzt.

Angebot zu groß

Andererseits ist kaum damit zu rechnen, dass der Ölpreis ausgehend vom aktuellen Niveau noch zu einem nennenswerten Höhenflug ansetzt. Dafür ist das Angebot auf dem Ölmarkt einfach zu groß und die Nachfrage zu verhalten. Ein größerer Anstieg ist eigentlich nur für den Fall denkbar, dass einer zahlreichen politischen Konflikte im Nahen Osten oder in anderen Förderländern explodiert und die Versorgung gefährdet.

Das derzeit wahrscheinlichste Szenario für den Ölpreis ist, dass dieser nicht unter 60 Dollar rutscht, auf der anderen Seite aber auch nicht über 70 bis kurzzeitig maximal 75 Dollar ausbricht. Erst für das kommende Jahr ist ein darüber hinaus gehender, aber maßvoller Anstieg denkbar - aber auch nur dann, wenn die globale Konjunktur mitspielt.

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