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Discours Suisse

Discours Suisse: Romandie setzt bei der Integration auf Toleranz und Dialog

Bern (ots)

Die Westschweizer Schulen meistern die Probleme mit
ausländischen Schülern mit einer gewissen Portion Pragmatismus. Eine 
Methode, die sich bis jetzt bewährt hat.
Die Westschweiz gilt bei Ausländerfragen als tolerant - toleranter
als die Deutschschweiz. Dies wurde den Nicht-Romands jüngst bei der 
Anti-Minarett-Abstimmung wieder vor Augen geführt. Von den vier 
Ständen, die dem Minarettverbot eine Absage erteilten, sind immerhin 
drei aus der Westschweiz: Genf, die Waadt und Neuenburg.
Auffällig dabei: Zwei der drei Kantone verzeichnen einen sehr 
hohen Ausländeranteil. An der Schweizer Spitze steht laut Bundesamt 
für Statistik der Bezirk "Ouest lausannois" mit knapp 43 Prozent. 
Dazu zählen Gemeinden wie Renens oder Prilly. An zweiter Stelle folgt
Genf mit rund 38 Prozent - vor Zürich mit knapp 31 Prozent.
Keine Schönfärberei
Gleichgültig jedoch, ob der Ausländeranteil in den Kantonen hoch 
ist oder nicht: Auf die Frage, ob es Probleme bei der Integration von
ausländischen Kindern in der Schule gebe, lautete die Antwort 
unisono: "Wir haben kaum Probleme." Schönfärberei der Behörden?
Nein! Dies bezeugt etwa Sylvie Pittet Blachette von der 
Waadtländer Elternvereinigung. Es gäbe kaum Klagen, sagt die Mutter 
von zwei Knaben im Schulalter. "Im grossen und ganzen als 
zufriedenstellend" bezeichnet auch David Imhof die 
Integrationsbemühungen in Genf. Imhof konvertierte vor vielen Jahren 
zum Islam und ist Gründer der Genfer Liga der Muslime für den 
konfessionellen Frieden.
Überdies gibt es auch von den Lehrern ein positives Feedback. 
Georges Pasquier, Präsident der Westschweizer Lehrergewerkschaft, 
beurteilt die Integrationsleistungen in der Romandie als gut. "Auch 
wenn man natürlich immer noch mehr und noch besser machen kann."
Um das Verständnis für andere Religionen und Traditionen zu 
fördern, schicken die meisten Kantone der Romandie ihre Schüler nicht
mehr in den klassischen Religionsunterricht, sondern haben das Fach 
"Culture religieuse" auf ihrem Stundenplan.
Erfolgsrezept Toleranz und Dialog
Strikte Regeln, wie konkrete Probleme mit ausländischen Schülern 
angegangen werden müssen, kennen die Westschweizer Kantone kaum. 
Lediglich der Kanton Freiburg ist zurzeit daran, einen Leitfaden zu 
erarbeiten. Vielmehr setzen die Kantonalbehörden auf die Kompetenz, 
das Fingerspitzengefühl und den Sachverstand der Verantwortlichen in 
den Schulen. Und deren Erfolgsrezept lautet: Toleranz und Dialog.
Bei Problemen suchten die Schulen als erstes den Dialog mit den 
Eltern, erklärt Michael Fiaux vom Waadtländer Bildungsdepartement. 
Ebenso machen es die Genfer oder Freiburger: "Will ein Mädchen ein 
Kopftuch in der Schule tragen, werden die Eltern zu einem Gespräch 
eingeladen", sagt Patrice Borcard vom Bildungsdepartement des Kantons
Freiburg.
Bleibe die junge Frau bei ihrer Meinung, akzeptiere man den 
Entscheid. "Wir weisen sie aber darauf hin, dass sie damit 
unangenehme Reaktionen auslösen kann." Doch kopftuchtragende Mädchen 
sind in keinem Kanton der Romandie ein Problem, denn es sind schlicht
zu wenig.
Schule - Ort der Toleranz
Pragmatisch geht man in der Waadt etwa mit den Thema 
Schwimmunterricht um. "Wir zwingen keine Schülerin, schwimmen zu 
gehen", erklärt Fiaux. Man versuche bei höheren Klassen, Mädchen und 
Jungen beim Schwimmunterricht zu trennen. "Ist das nicht möglich, 
weil es zu wenig sind, akzeptieren wir eine Dispens."
Man wolle alle so akzeptieren, wie sie sind, erklärt Fiaux die 
liberale Haltung der Waadtländer Behörden. Ins gleiche Horn stösst 
Imhof: "Die Schule soll eine Ort der Toleranz sein." Und damit ein 
Ort der Integration, so Borcard. Die Voten der Fachleute lassen sich 
auf eine Formel bringen: Nur dort kann Toleranz vermittelt werden, wo
Toleranz herrscht. Diese wiederum ist Voraussetzung für Integration.
Sprache - A und O der Integration
Neben Toleranz und Dialog ist und bleibt jedoch das Erlernen der 
gängigen Landessprache das A und O der Integration. Daher bieten 
Gemeinden, Schulen und Behörden Sprachkurse in allen Variationen an -
Intensivkurse für Schulkinder, Stützkurse oder Französischlektionen 
für Vorschulkinder.
Doch die Integration der Kinder bedingt zugleich die Integration 
der Eltern - "vor allem der Mütter", sagt Anais Loutan vom Genfer 
Integrationsbüro. So bieten viele Gemeinden speziell auf Migrantinnen
ausgerichtete Sprachkurse an. In Genf etwa treffen sich die Frauen im
Sommer regelmässig zu einem Schwatz - auf Französisch versteht sich. 
Gleichzeitig werden ihnen wichtige Orte wie etwa das Kantonsparlament
oder schöne Parks mit Spielplätzen gezeigt.
Auf Initiative des Direktors der Ecole des Pâquis hin - Pâquis ist
ein Genfer Stadtteil mit einem sehr hohen Ausländeranteil - besuchen 
Mütter einen Französischkurs während ihre Kinder die Schulbank 
drücken. Als "Bezahlung" kochen die Frauen einmal im Monat für die 
ganze Schule Mittagessen. Loutan betreut in diesem Jahr knapp 40 
solcher Projekte in Genf, die nur auf die Verbesserung der 
Sprachkompetenzen abzielen.
"Wir sind auf dem richtigen Weg", schlussfolgert Sylvie Pittet 
Blachette von der Elternvereinigung stellvertretend für alle jene, 
die sich mit Integration befassen. Die aktuelle Diskussion um ein 
Kopftuchverbot seitens der Politik geht für sie an der Realität 
vorbei. "Das ist reiner Selbstzweck."
EXTRA
Berufsbildung will nicht in erster Linie Sozialprojekt sein
Die Berufsbildner wehren sich dagegen, auf die Integrations-Rolle 
reduziert zu werden. "Die Berufsbildung hat in erster Linie für den 
Nachwuchs an qualifizierten Arbeitskräften zu sorgen", sagt Hugo 
Barmettler, Berufsbildungschef beim Amt für Berufsbildung und 
Technologie (BBT).
Dadurch sei die Berufsbildung auch ein sehr geeignetes Instrument 
für die Integration der Jugendlichen in die Erwachsenenwelt. Gemeint 
sind aber alle Jugendlichen.
Die im Vordergrund stehenden Integrations-Projekte "Case 
Management" und "Validierung von Bildungsleistungen" zielen darum 
bewusst nicht auf spezifische Gruppen. Beim Case Management arbeiten 
diverse Fachstellen koordiniert, bei "Validierung von 
Bildungsleistungen" werden Vorleistungen an einen Lehrabschluss 
angerechnet.
Notiz: Dieser Text erscheint im Rahmen des Projektes Discours 
Suisse. Hinter diesem Projekt, das zur Verständigung zwischen den 
Sprachregionen beitragen will, stehen das Forum Helveticum, das 
Netzwerk Müllerhaus und die SDA. Einzeltexte aus den Sprachregionen 
sind ab dem 15. Februar im Internet zu finden unter 
www.discours-suisse.ch
Barbara Stäbler

Kontakt:

Discours Suisse
c/o FORUM HELVETICUM
Postfach
5600 Lenzburg 1
Tel.: +41/62/888'01'25
Fax: +41/62/888'01'01
E-Mail: info@forum-helveticum.ch

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