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Persönliche Zukunftsplanung (PZP) verbessert die Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigung

Persönliche Zukunftsplanung (PZP) verbessert die Selbstbestimmung von Menschen mit Beeinträchtigung
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Zürich/Solothurn (ots)

Mit dem Prozess einer "Persönlichen Zukunftsplanung PZP" erreichen Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung und erfahren mehr Wertschätzung als bis anhin. Zudem kann PZP positive Veränderungen im Umfeld der Personen bewirken. Dies zeigt eine Studie, die die Vereinigung Cerebral Schweiz gemeinsam mit der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HfH) heute den Medien und dem Fachpublikum präsentiert hat.

Die Methoden und die Haltung der "Persönlichen Zukunftsplanung PZP" orientieren sich an der Behindertenrechtskonvention der UNO und haben die Inklusion für alle Menschen mit Beeinträchtigungen zum Ziel. PZP ist Ausgangspunkt für die Gestaltung einer selbstbestimmten Zukunft. Sie unterstützt Menschen mit einer Behinderung darin, über ihre eigenen Vorstellungen, Wünsche und Ziele nachzudenken und diese mit Hilfe eines Kreises an unterstützenden Personen etappenweise umzusetzen. Dieser Weg wird durch ausgebildete Moderatorinnen und Moderatoren begleitet.

Eine Studie, die die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH) Zürich im Auftrag der Vereinigung Cerebral Schweiz durchgeführt hat, zeigt Folgendes klar auf:

Nach einer "Persönlichen Zukunftsplanung PZP" stellen Menschen mit Behinderungen

- eine Zunahme von Wertschätzung und Selbstbestimmung fest, indem vermehrt ihre Wünsche wahrgenommen, selber Entscheidungen getroffen und die eigenen Interessen vertreten werden.

- Sie erleben, dass sie Veränderungen in ihren relevanten Lebensbereichen (Wohnen, Arbeit und Freizeit) erreichen.

- Sie entdecken neue Entwicklungsmöglichkeiten der Lebensgestaltung.

"Ich entdeckte meine Ressourcen"

Thomas Z'Rotz, der mit einer angeborenen körperlichen Behinderung in Stans lebt und heute als PZP-Botschafter tätig ist, erinnert sich an seinen Prozess in Persönlicher Zukunftsplanung: "Ich habe erfahren, dass eine Behinderung verunsichert und verängstigt. Sehr viel wurde 'zugeschüttet'. Für mich hat PZP etwas Exponentielles an sich. Die dabei erfahrene Freiheit zu träumen und die Freude geben Energie und öffnen neue Möglichkeiten. Ich entdeckte meine Ressourcen und kann meine Handlungskompetenz erheblich ausbauen. Diesen reichen Erfahrungsschatz möchte ich gerne als ausgebildeter PZP-Moderator auch anderen Menschen zugänglich machen."

PZP kann in Institutionen Veränderungen auslösen

Wie sieht es bei Betroffenen aus, die in einer Institution leben? "Bei Betroffenen in einer Institution trägt PZP zu einer Sensibilisierung für Anliegen der Menschen mit Beeinträchtigungen bei, was positive Veränderungen auslösen kann", erklärt Konrad Stokar, Co-Geschäftsleiter der Vereinigung Cerebral Schweiz mit Verweis auf die Studie. Allerdings, betont Tobias Zahn vom Verein Winklusion, der 2012 zur Entwicklung von PZP in der Schweiz gegründet wurde: "Die Anwendung von Zukunftsplanung setzt eine klare personenzentrierte Ausrichtung und Handlung von der Betreuerin in der WG bis zur Geschäftsleitung voraus, sonst ist PZP nur alter Wein in neuen Schläuchen."

Fortschritt und Herausforderung

Die Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention in der Schweiz verlangt, dass Menschen mit Beeinträchtigungen die gleichen Rechte und Wahlmöglichkeiten zugesprochen werden, um wie andere Menschen in der Gemeinschaft leben zu können. "Der Schritt zur Wahlfreiheit ist per se ein grosser Fortschritt und zugleich eine enorme Herausforderung, weil viele Menschen mit Beeinträchtigung Selbstbestimmung und den Umgang damit erst kennen lernen", erklärt Konrad Stokar, der selbst mit einer cerebralen Bewegungsbehinderung lebt.

Positive Beispiele

Dass die Anwendung des Prozesses "Persönliche Zukunftsplanung" vieles bewirkt, erfahren Christina Settelen und Thomas Holzgang in ihrer täglichen Arbeit.

- Christina Settelen, die die Bereichsleitung des neuen Wohnhauses "Blotzi 10" der regionalen Vereinigung Cerebral Basel innehat, erzählt: "Unsere Bewohnerinnen und Bewohner haben keine grosse Auswahl für ihr Ausziehen von zu Hause. Alle sind schwer pflegebedürftig und müssen irgendwo hingehen, wo Pflegeleistungen angeboten werden. Zum Teil können sie nicht mit Worten kommunizieren. Was wir sicherstellen wollen, ist, dass es deutlich beobachtbare Anzeichen dafür gibt, dass sich die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner bei uns wohl fühlen könnten. Das wird mit Hilfe einer Persönlichen Zukunftsplanung festgehalten."

- Thomas Holzgang, Leiter Berufsberatung und Eingliederung in der IV-Stelle des Kantons Schwyz, erklärt: "Kinder mit Behinderung werden heute nicht mehr automatisch in die Sonderschule eingestuft, sondern können ihre Kompetenzen in integrativen Regelklassen weiterentwickeln. Die integrative Berufsausbildung befindet sich jedoch noch in den Kinderschuhen. Wie kann die berufliche Qualifizierung, welche für eine selbstbestimmende und selbstverantwortliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von grosser Bedeutung ist, im ersten Arbeitsmarkt erfolgen? Hier kann PZP ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg sein. Bei uns steht der Jugendliche im Zentrum. Wir nehmen seine Träume ernst und versuchen durch sein persönliches Netzwerk Schnuppereinsätze zu realisieren, um ihm eine selbstbestimmte Berufswahl zu bieten. Anschliessend versuchen wir ihm bei einem Arbeitgeber des ersten Arbeitsmarktes seine individuell benötigten Rahmenbedingungen zu ermöglichen, damit er seine Ressourcen bestmöglich einsetzen und weiterentwickeln kann. Dank PZP können bereits mehrere Jugendliche aus Sonderschulen ihre Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt absolvieren.

Zunahme der Lebensqualität

Eine abschliessende Beurteilung der Veränderung aller Dimensionen der Lebensqualität war in der Untersuchung nicht möglich, "weil nur die für die planende Person relevanten Lebensbereiche in der Folge der PZP untersucht wurden", begründet Studienleiterin Judith Adler. "Wir haben eine, wenn auch individuell unterschiedlich grosse Zunahme der Lebensqualität in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Freizeit festgestellt", heisst es im Fazit der Studie.

Schritt in die Romandie und ins Tessin

Die begrenzte Zahl an Interviewpersonen für diese Studie erstaunt kaum: Die "Persönliche Zukunftsplanung PZP" ist bislang ausschliesslich in der Deutschschweiz bekannt. Der Verein WINklusion, der PZP fördert, entstand in der Schweiz erst 2012. Die Vereinigung Cerebral Schweiz entschied sich Ende 2013 dem Verein bei der Bekanntmachung des Konzepts behilflich zu sein.

Nach der Ausbildung von bisher neun Moderatorinnen und Moderatoren, davon vier Menschen mit Behinderungen, ist für die Vereinigung Cerebral Schweiz nun der Schritt in die Romandie und ins Tessin geplant. Gemeinsam mit dem Verein WINklusion werden die ersten Weiterbildungen zur Moderatorin beziehungsweise zum Moderatoren in der Romandie für Februar 2018 geplant.

Paola Delcò, die frisch ausgebildete Moderatorin in PZP ist und mehrere Sprachen beherrscht, wird für die Vereinigung Cerebral Schweiz im Tessin bis Ende 2017 drei persönliche Zukunftsplanungen durchführen. Ausgewählt wurden drei Personen mit Beeinträchtigungen aus der regionalen Vereinigung atgabbes. "PZP ist für das Tessin eine grosse Chance. Es fördert einen inklusiven und kreativen Ansatz und ist ein effizientes Instrument, um das Leben von Menschen mit Beeinträchtigung positiv zu verändern. Es verbessert in meinen Augen die Lebensqualität der Gesellschaft als Ganzes."

Folgende Massnahmen werden zudem angepackt, um PZP verstärkt zu verankern:

- WINklusion plant den Aufbau regionaler Moderatoren-Pools. Für 2018 ist die Durchführung einer nationalen Fachtagung geplant.

- Die HfH führt Kurse in der Aus- und Weiterbildung durch, mit dem Ziel den Zugang zu PZP breiter bekannt zu machen. Das Angebot für die gemeinsame Planung der Zukunft für Familien wird derzeit überarbeitet und steht ab Oktober zur Verfügung.

- Die HfH hat den Leitfaden "Die Zukunft beginnt jetzt!" im Jahr 2015 in Deutsch herausgegeben (http://ots.ch/Yjw8A). Seit Neustem liegt er in leichter Sprache vor. Dieser Leitfaden wurde für das personenzentrierte Arbeiten mit erwachsenen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung konzipiert. Er hilft der planenden Person darüber nachzudenken und aufzuschreiben, was ihr/ihm ganz persönlich und für die Zukunft wichtig ist und welches die eigenen Wünsche sind. Hier geht es um die Verbesserung der Lebensqualität, auch bei alltäglichen Fragen. Bei einer Persönlichen Zukunftsplanung PZP hingegen werden zusammen mit einem Unterstützerkreis grössere Veränderungen zu Fragen der Teilhabe des Unterstützungsangebots angestrebt.

Die Vereinigung Cerebral Schweiz wird sich darüber hinaus als Organisation eine Zukunftsplanung schenken. "Wir nutzen unser 60-Jahr-Jubiläum dieses Jahr dazu, mittels einer Zukunftsplanung für unsere Organisation darüber nachzudenken, welche Chancen, Aufgaben und Möglichkeiten sich unserer Vereinigung bieten, damit sie auch für die kommenden 60 Jahre optimal gerüstet ist", erklärt Co-Geschäftsleiter Konrad Stokar.

Tipps & Links

- Die Studie "Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen mit körperlicher und intellektueller Beeinträchtigung und ihr Beitrag zu Veränderungen" steht in deutscher Sprache als Download zur Verfügung: http://ots.ch/UkMcp

   - Allgemeines zu Persönlicher Zukunftsplanung in der Schweiz, in 
Deutschland, Luxemburg und Italien: 
http://www.persoenliche-zukunftsplanung.ch
   - Mehr zu Persönlicher Zukunftsplanung für Menschen mit 
Behinderung: http://ots.ch/UkMcp
   - Europäisches Projekt zum Thema "New paths to InclUsion Network" 
- Netzwerk Neue Wege zur Inklusion: 
http://www.personcentredplanning.eu/
   - Mehr zur Inklusion als Menschenrecht: 
www.inklusion-als-menschenrecht.de

Kontakt:

Edith Loosli-Bussard, Leiterin Kommunikation Vereinigung Cerebral
Schweiz, 079 471 73 25, edith.loosli@vereinigung-cerebral.ch

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