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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

Monitoring von Menschenfeindlichkeit und rechtsextremen Einstellungen

Bern (ots)

Wie menschenfeindlich ist die Schweiz?
Im Nationalen Forschungsprogramm «Rechtsextremismus – Ursachen 
und Gegenmassnahmen» wurde ein Instrument entwickelt, mit dem sich 
die Entwicklung von menschenfeindlichen Einstellungen und des 
Rechtsextremismus in der Schweiz messen lässt. Resultat der ersten 
Umfrage: Zwar haben über 50 Prozent der befragten Schweizerinnen 
und Schweizer Vorurteile gegenüber Fremden, doch die Schweizer 
Gesellschaft ist von Toleranz und vom Willen zur Integration 
geprägt. 90 Prozent lehnen Rechtsextremismus klar ab.
Rechtsextreme schlagen auf offener Strasse zwei jugendliche 
Konzertbesucher spitalreif. Nachbarn wehren sich gegen den Bau 
eines Minaretts. Dunkelhäutige Personen werden nicht in eine Disco 
gelassen. Solche Ereignisse sorgen in der Schweiz immer wieder für 
Schlagzeilen. Doch was steckt dahinter? Oder grundsätzlich gefragt: 
Wie fremden- und menschenfeindlich ist die Schweiz?
Eine Gruppe von Sozialwissenschaftlerinnen und 
Sozialwissenschaftlern um Sandro Cattacin, Leiter des 
soziologischen Instituts der Universität Genf, hat ein 
wissenschaftliches Instrument entwickelt, mit dem das Potenzial von 
rechtsextremen und menschenfeindlichen Tendenzen in der Schweiz 
gemessen werden kann. «Das Monitoring-Instrument liefert 
Informationen, wie sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in der 
Schweiz entwickelt», erklärt Cattacin. «Als Frühwarnsystem kann es
Aufschluss über neue Tendenzen zur Ausgrenzung geben.» Das 
Monitoring-Instrument ermöglicht es zudem, die schweizerische 
Entwicklung mit jener anderer Länder zu vergleichen. Das Projekt 
ist Teil des Nationalen Forschungsprogramms «Rechtsextremismus – 
Ursachen und Gegenmassnahmen» (NFP 40+) des Schweizerischen 
Nationalfonds.
In gut 3000 mündlichen Interviews, die rund 40 Minuten dauerten 
und rund 100 Fragen umfassten, wurden Daten über rechtsextremes 
Gedankengut und über Einstellungen zu Minderheiten erhoben (siehe 
Glossar). Um keine fremdenfeindlichen Äusserungen zu provozieren, 
wurden negative Statements («Ausländer und Ausländerinnen erhöhen 
die Arbeitslosigkeit in der Schweiz») gezielt mit positiven 
Aussagen («Ausländer und Ausländerinnen werden auf dem Arbeitsmarkt 
benachteiligt») kombiniert. Den Befragten standen vier 
Möglichkeiten zur Verfügung, die Aussage abzulehnen oder 
anzunehmen. Die Auswahl der Befragten ist repräsentativ, das 
heisst, es wurden – entsprechend ihrem Anteil an der 
Gesamtbevölkerung – auch Migrantinnen und Migranten befragt.
Bei der Auswertung der Fragen konnten Sandro Cattacin und seine 
Mitforschenden vier grössere Gruppen ausmachen, die total 85 
Prozent der Schweizer Bevölkerung umfassen:
• Die «kreative Klasse» (37 Prozent) ist gegen jede Art von 
fremden- und menschenfeindlicher Einstellung. Ihre Angehörigen 
stehen politisch links, sind urban, gebildet und eher jung.
• In der zweitgrössten Gruppe, den «konservativen Nationalisten» 
(23 Prozent), dominieren klar menschen- und fremdenfeindliche 
Einstellungen. Die Angehörigen dieser Gruppe stehen politisch 
rechts, sind meist weniger gut gebildet und betrachten die Zukunft 
des Landes mit Sorge.
• Die «liberalen Unternehmer» (16 Prozent) setzen sich zwar 
ebenfalls aus Personen zusammen, die Angst vor Fremden haben. Sie 
akzeptieren jedoch Verschiedenheit und sind nicht 
menschenfeindlich. Sie sprechen sich für Recht und Ordnung aus, 
stehen politisch moderat rechts und vertrauen auf die Kräfte des 
freien Marktes.
• Als vierte Gruppe identifiziert die Studie 
die «desorientierten Traditionalisten» (9 Prozent). Wie in der 
zweiten Gruppe dominieren auch hier fremden- und menschenfeindliche 
Einstellungen. Ihre Angehörigen lassen sich aber politisch nicht 
festlegen, haben Angst vor der Zukunft und sehen in der Gewalt ein 
Mittel zur Lösung von Problemen.
Bei dieser letzten Gruppe sieht Sandro Cattacin am ehesten ein 
Potenzial für Probleme: Es seien Menschen, die sich sozusagen von 
der Gesellschaft verabschiedet hätten und in einer eigenen Welt 
lebten. Als «leicht beunruhigend» bezeichnet er auch die 
«konservativen Nationalisten», die Gewalt zumindest teilweise 
akzeptieren: «Es sind Leute, die zwar in der Gesellschaft noch 
mitspielen, die sich von ihrer Werthaltung her aber weit vom 
‹normalen› Weg der Problemlösung entfernt haben.» Ihnen gegenüber 
stehen die «kreative Klasse» und die «liberalen Unternehmer», die 
eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ausmachen: «Sie sind 
zentral für die Zukunft einer offenen, zukunftsorientierten 
Schweiz, die Unterschiede akzeptiert und gegen Menschenhass 
einsteht.»
Es gibt weitere Ergebnisse, die Cattacin beunruhigend findet. So 
können immerhin 3,8 Prozent der Bevölkerung dem rechtsextremen 
Umfeld zugeordnet werden. Dazu kommt, dass fast ein Viertel der 
Befragten antisemitisch eingestellt sind, was der Genfer Soziologe 
als Spätfolge der Raubgold-Debatte interpretiert. Ausserdem kann 
mehr als die Hälfte der Befragten als fremdenfeindlich bezeichnet 
werden.
Tolerante Haltung überwiegt Doch Cattacin malt nicht schwarz: 
Unter dem Strich überwiege die Toleranz, betont er. So lehnen 90 
Prozent der Befragten Rechtsextremismus ausdrücklich ab, 85 Prozent 
sind für die strafrechtliche Verfolgung von rassistischer Hetze, 90 
Prozent wollen die Chancengleichheit in der Gesellschaft 
verbessern, 77 Prozent sind für die bessere Integration von 
Minderheiten in den politischen Prozess und 55 Prozent für eine 
erleichterte Einbürgerung. «In dieser toleranten Haltung zeigt sich 
die grosse Stabilität unseres Landes», so Cattacin. «Im Unterschied 
zu Deutschland oder Frankreich befindet sich die schweizerische 
Gesellschaft nicht in einer akuten Wertkrise, die auch zu 
unkontrollierter Gewalt gewichtiger Gruppen führen kann.» Die Frage 
sei allerdings, was geschehe, wenn sich das politische Klima 
verschärfe und der Trend zum Populismus anhalte. «Die Vorurteile in 
der Bevölkerung lassen sich mobilisieren. Die Politik besitzt hier 
eine grosse Verantwortung.»
Sandro Cattacin schlägt vor, die Umfrage etwa alle zwei Jahre zu 
wiederholen. Das Monitoring-Instrument würde dabei ähnlich 
eingesetzt wie heute die Vox-Analysen von Abstimmungsresultaten: Im 
Turnus würden die soziologischen Institute verschiedener Schweizer 
Universitäten die Daten erheben und sie um aktuelle Fragestellungen 
ergänzen.
Glossar Menschenhass (Misanthropie): Ablehnung bestimmter 
Gruppen von Menschen, oft Minderheiten. In der Studie wurde die 
Einstellung gegenüber Behinderten, Frauen (Sexismus), 
Homosexuellen, Juden (Antisemitismus), Muslimen und Obdachlosen 
untersucht.
Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie): Angst vor, resp. Ablehnung 
von Migrantinnen und Migranten.
Rechtsextremismus: Sammelbegriff für politische Einstellungen, 
die einen Staat mit autoritärer Führung und kulturell einheitlicher 
Bevölkerung anstreben und die Gewalt als legitimes politisches 
Mittel betrachten.
Publikation
Cattacin, Sandro, Brigitta Gerber, Massimo Sardi und Robert Wegener 
(2006). Monitoring rightwing extremist attitudes, xenophobia and 
misanthropy in Switzerland. An explorative study. Research report – 
PNR 40+, Sociological Research. Report No 1 of the Department of 
sociology. Geneva: University of Geneva. / www.unige.ch/ses/socio
Weitere Auskünfte
Prof. Sandro Cattacin
Département de sociologie
Université de Genève
40, bd du Pont d'Arve
CH-1211 Genève 4
Tel. +41 (0)22 379 83 16  / +41 (0)79 436 75 26
E-Mail:  Sandro.Cattacin@socio.unige.ch

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