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Speaking-Note des Bundesanwalts Dr. Valentin Roschacher am Pressegespräch vom 8. November 2001 zu den Ermittlungen der "Task Force Terror USA"

Bern (ots)

Sehr geehrte Damen und Herren
Ich danke Ihnen, dass Sie unserem kurzfristigen Aufruf zu diesem
Pressegespräch gefolgt sind. Wie angekündigt möchten wir Sie aus
erster Hand über die aktuelle Entwicklung in den Ermittlungen der
"Task Force Terror USA" informieren. Wie bereits gestern abend durch
den Informationschef der Bundesanwaltschaft bestätigt, hat die
Bundesanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Bundeskriminalpolizei
(BKP) gestern Mittwoch, 7. November 2001, in einer koordinierten
Aktion in Lugano TI, Campione (I), Vaduz (FL) und Muri BE
Hausdurchsuchungen und Befragungen im Zusammenhang mit der Firma
"Nada Management Organization SA", früher bekannt als "Al Taqwa
Management Organization", domiziliert in Lugano, durchgeführt. Die
Aktion wurde unterstützt durch Polizeikräfte der Kantonspolizei
Tessin sowie in enger Rechtshilfe-Zusammenarbeit mit den Behörden
Italiens und Liechtensteins durchgeführt. Der stellvertretende
Bundesanwalt Claude Nicati, unter dessen direkter Leitung diese
Ermittlungen stehen, wird Sie gleich über die gestrige Aktion
informieren.
Erlauben Sie mir vorgängig ein paar kurze Bemerkungen zu Ihren
Handen als Medienschaffende.
Wir haben in der Bundesanwaltschaft in den letzten Wochen ein
Leitbild erarbeitet. Darin halten wir fest, dass wir unsere Arbeit
unaufgeregt tun wollen. Das ist uns wichtig, gerade in Zeiten der
Verunsicherung und bei Themen, die weltweit Aufregung und Hektik
auslösen. Wir nehmen die anspruchsvolle Arbeit einer
Strafverfolgungsbehörde engagiert, mit der nötigen Genauigkeit, aber
auch mit der nötigen Gelassenheit wahr. Und wir sehen es weder als
zweckdienlich, noch als unsere Aufgabe, mit Schnellschüssen in der
Information kurzfristig Aufsehen zu erregen, Hektik auszulösen und
die Medienberichterstattung anzuheizen. Wir wollen in unserer Arbeit
langfristige Ergebnisse erreichen und über diese dann auch
informieren. In diesem Zusammenhang bitte ich Sie vor dem Hintergrund
des Sturms von Anfragen, den die gestrige Aktion ausgelöst hat, um
Augenmass in der Einschätzung der Ereignisse, über die wir berichten
und um Berücksichtigung der Faktenlage in Ihrer Berichterstattung,
auch hinsichtlich der Frage nach dem Stellenwert der Schweizer
Ermittlungen im weltweiten Zusammenhang der Suche nach den Urhebern
der Anschläge vom 11. September. Wir haben gestern im Rahmen unserer
Ermittlungen eine koordinierte Aktion unternommen, und "action" ist
für Ihre Kundschaft selbstverständlich dankbarer, als trockene
Behördenvernehmlassungen. Allerdings ist eine Aktion wie die gestrige
nur ein Teil der Ermittlungsarbeit. Daneben ist unsere Arbeit über
weite Strecken langwierig und wenig spektakulär. Und oft ist gerade
dieser Teil der Arbeit für den Erfolg wesentlich. Gleichzeitig möchte
ich Sie daran erinnern, dass wir hier über ein laufendes
gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren berichten. Damit sind uns
in der Information Grenzen gesetzt . Es wird uns hier - wie auch in
der Zukunft - nicht möglich sein, Sie in jedes Detail unserer
Ermittlungsarbeit einzuweihen, zu jeder Frage nach Gründen und
Zusammenhängen Stellung zu nehmen, allfällige Spekulationen über
allfällige Vorgänge zu kommentieren oder die Quellen oder die
Strategie unserer Ermittlungen offenzulegen. Es geht hier um
strafrechtliche Ermittlungen. Sehen Sie: Sie tun Ihre Arbeit und wir
respektieren dies. Aber wir tun unsere Arbeit als
Strafverfolgungsbehörde, und wir bitten Sie, dies auch zu
respektieren.
Ich möchte nun einige Linien zu den bisherigen Informationen über
das Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit
den Terroranschlägen in den USA vom 11. September ziehen und eine
grundsätzliche Einschätzung vornehmen. Vorwegnehmend stelle ich fest,
dass es nach wie vor keine ausreichenden Erkenntnisse gibt, die Grund
zur Einschätzung bieten würden, die Schweiz habe in der Vorbereitung
der Anschläge vom 11. September in den USA eine zentrale Rolle
gespielt. Daran ändern auch die in den letzten Tagen und Wochen
vorgenommenen Ermittlungshandlungen, über die wir heute informieren,
nichts.
Am 2. Oktober 2001 habe ich anlässlich einer Medienkonferenz
festgehalten, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Erkenntnisse
vorlagen, wonach die Schweiz in der logistischen Vorbereitung der
Terroranschläge vom 11. September in den USA -abgesehen vom Transit
des mutmasslichen Attentäters Mohamad Atta durch den Flughafen Zürich
- eine Rolle gespielt hätte. Bis zur Stunde hat sich an dieser
Einschätzung nichts geändert. Unsere Abklärungen sind im Rahmen der
Arbeit der "Task Force Terror USA" allerdings in den letzten Wochen
mit unverminderter Dringlichkeit weitergegangen. Ich habe damals
gesagt, und ich wiederhole es heute nochmals: Wir gehen davon aus,
dass unsere Ermittlungen noch Wochen und Monate andauern können. Für
mich wie für alle an diesem Verfahren beteiligten Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter bei Bundesanwaltschaft und Polizei des Bundes und der
Kantone ist die Arbeit in diesem Verfahren auch heute nicht beendet.
Der Chef der Bundeskriminalpolizei, Erwin Beyeler, wird Ihnen im
Anschluss einen Ueberblick darüber geben, welche Abklärungen im
Rahmen der "Task Force Terror USA" im Lauf der letzten Wochen weiter
vorgenommen wurden und welches heute der Stand der Erkenntnisse ist.
Ich habe an der Medienkonferenz vom 2. Oktober zum damaligen Stand
der Erkenntnisse hinsichtlich der Rolle des Finanzplatzes Schweiz für
den Transfer von Geldern im Zusammenhang mit der konkreten
Tatvorbereitung festgehalten, dass es zum damaligen Zeitpunkt auch in
dieser Beziehung keine substantiellen Hinweise gab, die auf eine
entsprechende Rolle der Schweiz hätten schliessen lassen. Bezüglich
der konkreten Tatvorbereitung hat sich auch an dieser Einschätzung
heute, am 8. November 2001 nichts geändert. Ich habe allerdings
bereits am 2. Oktober darauf hingewiesen, dass diese Einschätzung
nicht abschliessend sei, dass uns auch die Ermittlungen im komplexen
Bereich der Banken- und Finanztransaktionen noch längere Zeit
beschäftigen würden. Ich habe damals ebenfalls klar gesagt, dass wir
unsere Ermittlungen nicht auf die Verfolgung von möglichen
Haupttätern der Terrorakte beschränken würden, sondern dass wir mit
gleichem Effort nach Hinweisen auf strafrechtlich verantwortliche
Helfer und Helfershelfer suchen würden. Es geht damit also auch um
die denkbare direkte oder indirekte Finanzierung von Gruppierungen,
die unter dem Verdacht stehen, Terroranschläge auszuführen.
In dieser Hinsicht sind wir seither tatsächlich einige Schritte
weitergekommen, wie die Aktion von gestern zeigt. Die
Bundesanwaltschaft hat überdies letzte Woche die Blockierung von 24
Konten angeordnet und bekanntgegeben. Diese Blockierung steht nicht
in direktem Zusammenhang mit den gestrigen Ermittlungshandlungen. Der
stellvertretende Bundesanwalt wird Ihnen auch dazu noch einige
zusätzliche Informationen abgeben.
Bevor ich das Wort an Claude Nicati weitergebe, möchte ich hier zu
einigen weiteren Punkten, die mir persönlich wichtig sind, kurz
Stellung nehmen.
Erstens: Die Einschätzung der Ermittlungsbehörden hinsichtlich der
Rolle der Fa. "Nada Management Organization", vormals Fa. "Al Taqwa"
war und ist konsistent. Am 2. Oktober haben wir darauf hingewiesen,
dass die Bundesanwaltschaft zwar Abklärungen in Bezug auf Nada/Al
Taqwa getätigt habe, dass deren Ergebnisse jedoch die Einleitung
eines gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens bis zum damaligen
Zeitpunkt nicht gerechtfertigt hätten. Im Gegensatz dazu, wie diese
Aussage in den Medien interpretiert wurde, haben wir Nada/Al Taqwa am
2. Oktober kein "Clearing" erteilt, bzw. keinen Persilschein
ausgestellt. In der Zwischenzeit hat die Bundeskriminalpolizei
weitere Hinweise zusammengetragen, die einen konkreten Verdacht auf
strafrechtlich relevantes Verhalten erbrachten. Die
Bundesanwaltschaft hat aufgrund dieses Verdachts nicht gezögert, ein
gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren einzuleiten, und zwar
bereits am 24. Oktober, also vor rund zwei Wochen. Ich erinnere aber
noch einmal daran, dass es sich hier um ein strafrechtliches
Ermittlungsverfahren handelt. Genausowenig, wie wir Nada/Al Taqwa am
2. Oktober ein "Clearing" erteilten, genausowenig nehmen wir heute
hier eine Vorverurteilung der Firma und ihrer Verantwortlichen vor.
Mit der Verfahrenseröffnung ist noch nicht der Beweis erbracht, dass
die genannte Firma mit den Anschlägen vom 11. September in direktem
oder indirektem Zusammenhang steht. Es wird unsere Aufgabe sein, die
Ermittlungen weiterzuführen mit dem Ziel, den Verdacht entweder zu
erhärten oder zu entkräften. Bis dahin gilt - und dies betone ich -
auch für diese Fa. bzw. für deren handelnde Organe die
Unschuldsvermutung.
Zweitens: Auch wenn wir viel Arbeit in unserem Verfahren in
Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September in den USA
leisten und auch wenn in der Schweiz die verschiedensten Behörden von
Bund und Kantonen mit Abklärungen betraut sind, und selbst wenn
aufgrund der Medienberichterstattung - vor allem der internationalen
Presse - bisweilen der Eindruck entsteht, die Schweiz stehe im
Zentrum der Abklärungen rund um den 11. September, so will ich heute
im Sinne einer grundsätzlichen Einschätzung dennoch festhalten, dass
die Rolle der Schweiz bezüglich des internationalen Terrorismus
aufgrund der heute vorliegenden Hinweise auf entsprechende konkrete
kriminelle Handlungen in der Schweiz keineswegs jene eines "Global
Players" ist, sondern dass wir die Rolle der Schweiz in dieser Sache
weiterhin vor allem als "Local Player" sehen. Wir gehen weiterhin
gewissenhaft und konsequent den Hinweisen nach, die uns vorliegen
sowie denen, die uns heute und in Zukunft übermittelt werden.
Gewissenhaftigkeit und konsequentes Ermitteln hat bisher unsere
Arbeit geprägt und wird es weiterhin tun. Wir verschliessen uns
keiner Möglichkeit, weil wir wissen, dass Ermittlungen sich in
verschiedene Richtungen entwickeln können, je nach der Art der
Informationen, die gewonnen werden können.
Drittens: Unsere Zusammenarbeit mit den amerikanischen Behörden war
in den letzten Wochen verschiedentlich Gegenstand von Spekulationen
und Fehleinschätzungen. Ich möchte dazu folgendes festhalten: Die
schweizerischen Strafverfolgungsorgane, und damit meine ich die
Bundesanwaltschaft, das Bundesamt für Polizei und die involvierten
Polizeikorps der Kantone leisten ihre Ermittlungsarbeit nach unserer
geltenden Gesetzgebung. Wir sind im Rahmen unseres
gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens aktiv oder aufgrund
ausländischer Rechtshilfeersuchen von Strafverfolgungsbehörden.
Verständlicherweise ist das Interesse der US-Behörden an unseren
Ermittlungen gross. Die USA sind unsere Verbündeten im Kampf gegen
den Terrorismus. Sie sind aber nicht unsere Auftraggeber. Wir pflegen
eine sich zunehmend intensivierende Zusammenarbeit, weil wir ein
gemeinsames Ziel verfolgen; die Urheberschaft der Attentate vom 11.
September zu ermitteln, wer immer dafür Verantwortung oder
Mitverantwortung zu tragen hat und wo immer sich diese Personen auch
befinden mögen. Die Bundesanwaltschaft hat in diesem Zusammenhang
mittlerweile 3 Rechtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden in den
USA gestellt und wir sind - auch über die zuständige Stelle im
Bundesamt für Justiz - in Kontakt mit den Kollegen in den USA.
Umfangreiches Material ist uns - in Beantwortung unserer Ersuchen -
für die nächsten Tage in Aussicht gestellt. Wenn wir dieses Material
gesichtet haben, werden wir aller Voraussicht nach in die USA reisen,
um mit den Kollegen vor Ort die weiteren Schritte, die weiteren
Informationsbedürfnisse und andere Fragen im Zusammenhang mit den
Ermittlungen zu besprechen. Die Schweiz wird ihren Beitrag in der
internationalen, weltweiten Zusammenarbeit der Strafverfolgung
leisten. Kooperativ, zielgerichtet und unaufgeregt. Soviel von meiner
Seite.

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