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Borkenkäfer vermehren sich in bisher unbekanntem Ausmass

Luzern (ots)

Wie nach dem Sturmereignis Lothar vom Dezember 1999
zu erwarten war, hat sich der sogenannte Buchdrucker auch im Kanton
Luzern stark vermehrt. Noch nie sind in den vergangenen 200 Jahren
gesamtschweizerisch so viele Fichten (Rottanen) befallen worden. Es
ist davon auszugehen, dass in diesem Sommer und Herbst eine neue
Rekordmenge an Käferholz anfallen wird. Differenzierte, wohl
überlegte Massnahmen helfen mit, weitere Schäden zu verhindern. Die
Entwicklung der Borkenkäfer ist jedoch wesentlich vom
Witterungsverlauf der kommenden Monate abhängig.
Da und dort fallen in den Wäldern rot leuchtende Fichten auf.
Untrügerisches Zeichen dafür, dass der Borkenkäfer sein Unwesen
treibt. Der rund 5 mm kleine Buchdrucker ist in unseren Breitegraden
der bedeutendste Waldschädling, da sich dessen Population bei
günstigen Bedingungen innerhalb kürzester Zeit beinahe
explosionsartig vermehren kann. Hauptursache für die rasante
Entwicklung ist der Sturm Lothar, der grosse Mengen von Fichten, die
von Borkenkäfern rasch befallen werden, geworfen hat. Gleichzeitig
hat der Witterungsverlauf der letzen beiden Jahre dessen Entwicklung
stark begünstigt. Im letzten Jahr sind nun auch an stehenden Fichten
viele Schäden festgestellt worden. Die von Lothar "verschont"
gebliebenen Bestände scheinen weniger widerstandfähig gegen
Schädlinge zu sein. Unsichtbare (Wurzel-)Schäden als Folge der
Heftigkeit von Lothar schwächen die Abwehrkraft der Waldbestände.
Neuste Untersuchungen aus Bayern zeigen, dass schon bei einem Anteil
von weniger als 3% geschwächter Bäume die Wahrscheinlichkeit für den
Ausbruch einer Massenvermehrung um ein Vielfaches ansteigt.
Stressreaktion der Fichten
Als Stressreaktion auf den heftigen Sturm blühten die Fichten im
Frühling 2001 in voller "Pracht". Gelbe Pollenwolken wehten durch die
Landschaft. Dieses Phänomen war auch zwei Jahre nach dem letzten
grossen Sturm Vivian von 1990 zu beobachten. Fichtensamen sind zwar
für die natürliche Waldverjüngung nützlich, schwächen allerdings die
Mutterbäume, die für das Blühen und die Samenproduktion (Zapfen!)
sehr viel Energie und Nährstoffe benötigen. Diesen Bäumen fehlt es
dann an Widerstandskraft, um sich einbohrenden Borkenkäfern mit
Harzfluss zu widersetzen. In untersuchten Sturmflächen von 1990 wurde
festgestellt, dass rund die Hälfte der blühenden Fichten später von
Borkenkäfern befallen worden sind.
Der Witterungsverlauf ist entscheidend
Die Entwicklung der Buchdruckergeneration wird entscheidend durch
den Witterungsverlauf beeinflusst. Insbesondere das trockene und
warme Wetter im Jahr 2000 hat die frühe Massenvermehrung begünstigt.
Das vergangene Jahr zeigte zwar einen nassen Frühling, Sommer und
Herbst allerdings waren wiederum sehr warm und trocken. Tiefe
Temperaturen und feuchte Witterung verlängern den Entwicklungszyklus
vom Ei bis zum ausgereiften Borkenkäfer deutlich. Der bisher milde
und sehr trockene Frühlingsverlauf dieses Jahres dürfte sich für die
Borkenkäfer weiter günstig auswirken. Denn geschwächte Fichten, die
weniger unter Trockenheit leiden, können ihre Abwehrkräfte gegen die
Buchdrucker schneller mobilisieren.
Gegenspieler brauchen Totholz
Die Bewältigung der aussergewöhnlichen Situation bedeutet für die
Waldeigentümer, für den Luzerner Forstdienst und für die
Holzwirtschaft eine grosse Herausforderung. Wenn in einem Waldstücke
Fichten rot leuchten, hat dies nichts mit Untätigkeit zu tun. Es sind
wirtschaftliche und terminliche Gründe, die dazu führen, dass
befallene Bäume nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt gefällt
werden. Es ist wichtig zu wissen, dass von dürren ("roten") Bäumen
keine Gefahr für andere Fichten ausgeht. Die Borkenkäfer sind bereits
ausgeflogen. Wenn die Rinde abgefallen ist, entwickeln sich die
Gegenspieler der Borkenkäfer wie Holzwespen und andere Insektenarten
im toten Holz. Diese vermehren sich im biologischen Kreislauf etwas
später und leisten einen wichtigen Beitrag für die Regulierung der
Borkenkäfer. Diese Nützlinge sind somit direkt auf Totholz
angewiesen. Sie schlüpfen jeweils 1-2 Monate nach dem Buchdrucker.
Differenzierte Massnahmen bei Borkenkäferbefall
Wird ein frischer Befall festgestellt, sind die beiden Varianten
"sofort räumen" oder "stehen lassen" gründlich abzuwägen. Für diese
Beurteilung steht der Revierförster den Waldeigentümern beratend zur
Seite. Viele Faktoren sind beim Entscheid des Waldeigentümers zu
berücksichtigen. Denn auch ein sofortiges Räumen kann weitere Schäden
verursachen, insbesondere wenn neue Bestandesränder Wind und Sonne
ausgesetzt werden und der Buchdrucker diese geschwächten Bäume leicht
befallen kann. Werden grosse Fichtenbestände einfach abgeräumt,
verschlechtern sich die Bedingungen für die Waldverjüngung. So kann
beispielsweise das üppige Wachstum von Brombeeren begünstigt werden.
Im Weiteren sind allfällige Schäden durch die Holzernte
(Vegetationszeit!) zu beachten. Nicht zu letzt können mit den
Forstmaschinen bei feuchten Verhältnissen schwerwiegende
Bodenverdichtungen verursacht werden. Das rasche Handeln bringt nur
dann Vorteile, wenn das Holz unverzüglich aus dem Waldareal zur
Verwertung abgeführt wird. Kurzum: die Vor- und Nachteile der beiden
Varianten "sofort räumen" oder "stehen lassen" sind im Einzelfall
ganzheitlich zu beurteilen. Damit nicht unnötige Schädigungen des
Waldes verursacht und der Borkenkäferbefall sogar begünstigt wird,
ist auch das Fällen von sogenannten Käferbäumen mit Stammdurchmesser
ab 20 cm, gemessen in 1,3 Meter Höhe über dem gewachsenen Boden,
bewilligungspflichtig. Diese gebührenfreie Nutzungsbewilligung ist
beim Revierförster einzuholen.
Käferholz zu fairen Preisen absetzen
Im Kanton Luzern sind im Jahr 2001 rund 60'000 m3 Käferholz
angefallen. Davon wurden ungefähr 35'000 m3 genutzt.
Gesamtschweizerisch lag der Befall bei rund 1.2 Mio. Kubikmeter
Fichten. Diese Rekordmenge entspricht rund 30% einer
durchschnittlichen Jahresnutzung über alle Baumarten. Aufgrund von
Erfahrungen wird erwartet, dass in diesem Jahr im Mittelland die
Spitze des Befalls erreicht wird. Im Berggebiet kulminiert diese
Entwicklung wahrscheinlich erst im Jahr 2003. Günstige
(Witterungs-)Bedingungen vorausgesetzt, kann eine Erholung der
Buchdruckersituation im ganzen Kantonsgebiet somit erst ab 2004
erwartet werden. Es ist zu befürchten, dass der Holzmarkt nicht alles
anfallende Käferholz rechtzeitig aufnehmen kann. Diese Situation wird
die Waldeigentümer und den Forstdienst weiterhin intensiv
beschäftigen, denn die Holznutzung muss in jedem Fall auf die
Marktbedürfnisse und auf die Transportkapazitäten abgestimmt werden.
Frisches Käferholz ist qualitativ einwandfrei, sofern die
Verarbeitung rasch erfolgt. Es ist somit nicht mehr als rechtens,
auch für das Käferholz einen fairen Preis zu verlangen.
Die Wiederbewaldung von Schadenflächen wird unterstützt
Die Wiederinstandstellung der von Borkenkäfern befallenen Wälder
wird über das Projekt Wiederbewaldung abgewickelt. Dies bedeutet,
dass die gleichen Grundsätze und Pauschalen wie bei den eigentlichen
Lothar-Sturmflächen gelten. Mit dieser klaren Prioritätensetzung
werden die vom Bund und Kanton Luzern zur Verfügung gestellten
Lothar-Kredite hauptsächlich für die Wiederbewaldung der geschädigten
Waldflächen verwendet. Dabei handelt es sich um nachhaltig wirkende
Investitionen in die zukünftige Waldgeneration. Sie entlasten die
Waldeigentümer in ihren Aufwendungen erheblich.
Merkblatt Borkenkäferbefall erkennen
Der Forstdienst ist nicht in der Lage, überall präsent zu sein.
Die Waldeigentümer werden daher aufgerufen, ihre gefährdeten Bestände
im Auge zu behalten und bei festgestelltem Befall den zuständigen
Revierförster zu kontaktieren. Der Forstdienst stellt ein bebildertes
Merkblatt zur Verfügung, damit der Borkenkäferbefall besser erkannt
werden kann. Das Merkblatt kann beim Kantonsforstamt Luzern (041 -
228 62 07 oder  kfa@lu.ch) oder bei den regionalen Kreisforstämtern
bezogen werden.
Blick in die Geschichtsbücher
Massenvermehrungen von Borkenkäfern haben sich auch in der
Vergangenheit ereignet. Nach dem letzten grossen Sturm Vivian von
1990 waren nochmals rund 60% der angefallenen Sturmholzmenge an
zusätzlichem Borkenkäferholz zu beklagen. Beim Sturm vom März 1967
dämmten die beiden folgenden relativ nassen Sommer die Verbreitung
der Käferpopulation schnell ein. Eine Massenvermehrung von
Borkenkäfern ohne eigentliches Sturmereignis war in den Jahren
1947-1949 zu verzeichnen. 1945 und 1947 herrschte eine
ausserordentliche Trockenheit. Die betroffenen Gebiete im Mittelland
und Jura hatten auch am meisten unter den Borkenkäfern zu leiden. Im
Kanton Luzern war dies vor allem im Hinterland der Fall. Neben
Buchdruckerbefall an Fichten schädigte der Weisstannenborkenkäfer
sehr viele Weisstannen. Schon damals konnte festgestellt werden, dass
reine, gleichaltrige Fichtenbestände des Mittellandes und zum Teil
der Voralpen bevorzugt befallen werden. In den natürlichen
Wuchsgebieten der Fichte und in Mischwäldern waren die Schäden
deutlich geringer.

Kontakt:

Auf Wunsch kann Bildmaterial zur Verfügung gestellt werden:
Bruno Röösli, Forstingenieur
Tel. +41 41 925 60 01
Mob. +41 79 442 72 36
mailto:bruno.roeoesli@lu.ch

Für Rückfragen und weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Otmar Wüest, Kantonsförster
Tel +41 41-228 62 07
mailto:otmar.wueest@lu.ch

Silvio Covi, Fachbereich Waldpflege
Tel +41 41 228 62 09
Mob. +41 79 399 23 21
mailto:silvio.covi@lu.ch

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