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Media Service: Schweizer Presserat: Presserat zur Zuger Sex-Affäre: «Blick» hat Opferschutz missachtet und Privat- und Intimsphäre verletzt; Stellungnahme 09/2016 (presserat.ch/_09_2016.htm)

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28.06.2016 – 12:00  Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa    [newsroom]

Bern (ots) -

Parteien: Spiess-Hegglin c. «Blick»

Thema: Privatsphäre

Beschwerde gutgeheissen

Zusammenfassung

Presserat zur Zuger Sex-Affäre

«Blick» hat Opferschutz missachtet und Privat- und Intimsphäre verletzt

«Blick» hat mit seinem ersten Artikel zur sogenannten Zuger Sex-Affäre den Journalistenkodex in mehreren Punkten verletzt. Der Presserat hat eine Beschwerde von Jolanda Spiess-Hegglin gutgeheissen.

Am 24. Dezember 2014 schrieb «Blick» auf der Titelseite: «Sex-Skandal um SVP-Politiker» und in grossen Buchstaben «Hat er sie geschändet?» Von den beiden mutmasslich Beteiligten veröffentlichte «Blick» die vollen Namen und Porträt-Bilder auf der Titelseite und auf Seite 5. «Blick» schreibt: «Blick weiss: SVP-Kantonalpräsident Markus Hürlimann (40) soll mit der grünen Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin (34) Sex gehabt haben. Offenbar wurden der jungen Frau sogar K.-o.-Tropfen in die Getränke gemischt.» Gegen diese Berichterstattung hat Spiess-Hegglin beim Presserat Beschwerde eingereicht.

Im Journalistenkodex (Richtlinie 7.7) heisst es: «Bei Sexualdelikten tragen Journalistinnen und Journalisten den Interessen der Opfer besonders Rechnung. Sie machen keine Angaben, die ihre Identifikation ermöglichen.» «Blick» ist zu diesem Zeitpunkt offensichtlich davon ausgegangen, dass es möglicherweise zu einem Sexualdelikt gekommen war. Mit der Identifizierung des mutmasslichen Opfers hat «Blick» den Opferschutz verletzt.

Mit der Einstellung des Verfahrens acht Monate nach Erscheinen dieses Artikels ist rechtskräftig festgestellt, dass kein Sexualdelikt vorliegt. Deshalb hat sich der Presserat die Frage gestellt, ob «Blick» über einen möglichen sexuellen Kontakt der beiden hätte berichten dürfen. Im Journalistenkodex (7.1 Schutz der Privatsphäre) steht: «Jede Person - dies gilt auch für Prominente - hat Anspruch auf den Schutz des Privatlebens.» Ganz besonders gilt das für die Intimsphäre. Ein möglicher sexueller Kontakt gehört eindeutig in den Bereich der geschützten Intimsphäre. Ein dem Schutz der Intimsphäre entgegengesetztes überwiegendes öffentliches Interesse besteht in der Regel nicht.

«Blick» argumentierte im Presseratsverfahren, dass eine Co-Präsidentin und ein Präsident von zwei sonst «die Extreme des Parteienspektrums besetzenden Parteien» intimen Kontakt gehabt haben sollen, gebe dem Vorgang eine Dimension, die ihn aus dem privaten Bereich heraushebe. Im Artikel vom 24. Dezember 2014 wird eine allfällige politische Relevanz allerdings nicht erwähnt. Selbst wenn «Blick» eine politische Relevanz thematisiert hätte, wäre ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Publikation kaum zu rechtfertigen. «Blick» hat deshalb auch die Privat- und Intimsphäre von Spiess-Hegglin verletzt.

Das spätere Verhalten der Beteiligten kann nicht im Nachhinein als Rechtfertigung solcher Verletzungen beansprucht werden. Bei einer Verdachtsberichterstattung müssen Journalisten besonders vorsichtig sein. Vielleicht war ja alles ganz anders.

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