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Wirtschaft kühl - Börse heiß, Kommentar zu China von Norbert Hellmann

16.04.2015 – 20:55  Börsen-Zeitung    [newsroom]

Frankfurt (ots) -

Chinas spekulationsfreudige Aktienanleger lassen sich von äußerst schwachen Konjunkturdaten für das erste Quartal nicht den Schneid abkaufen. Im Gegenteil nehmen die an den Festlandbörsen tonangebenden Kleinaktionäre schwache Wachstumszahlen erst recht zum Anlass, auf staatliche Konjunkturstützungsmaßnahmen und eine weitere Rücknahme der Leitzinsen zu spekulieren. An der Börse Schanghai schoss der marktbreite Hauptindex Shanghai Composite am Donnerstag um weitere 2,7% in die Höhe und erreichte bei 4195 Punkten ein frisches Siebenjahreshoch.

Trotz erschreckend niedrigen Wachstums der chinesischen Industrieproduktion im März waren vor allem Industriewerte in der Gunst vorn. Gleichzeitig spekuliert man auf ein Forcieren von öffentlichen Infrastrukturprojekten vor allem im Transportbereich, was die Aktien einschlägiger Staatsriesen auf neue Höchststände treibt. Auch Bankenwerte zeigen stramme Kursgewinne, obwohl die eingetrübte Konjunktur die Gewinnfortschritte in der Branche deutlich bremsen und die Kreditausfallrisiken stark ansteigen. In China werden über 80% der Marktkapitalisierung von privaten Anlegern gestellt, das Börsengeschehen unterliegt damit einer gänzlich anderen Dynamik als an westlichen Märkten. Als Faustregel gilt paradoxerweise: Je mieser die Konjunktur, desto flotter die Aktienperformance - und umgekehrt. Einen Sinn ergibt dies nur in Verbindung mit dem Immobilienmarkt. Solange er boomt, läuft auch die Wirtschaft, die Sparer setzen auf Betongold und vernachlässigen Aktien. Entsprechend hat der 2014 einsetzende Niedergang des chinesischen Häusermarktes die Wirtschaft gelähmt und die Börsen im Zuge der Reallokation von Spargeldern in eine Monsterhausse versetzt.

Die Performance des Shanghai Composite spricht für sich: in diesem Jahr bislang +28%, über sechs Monate hinweg sind es +76% und im 52-Wochen-Rückblick eine knappe Verdoppelung. Dennoch gibt es Luft nach oben. Nicht nur weil Konjunktur und Häusermarkt weiter schwächeln, sondern weil sich eine Armada von Neuanlegern aufs Trittbrett schwingt. Seit Jahresbeginn wurden über 10 Million neue Wertpapierkonten eröffnet. Es herrscht fiebrige Kasinostimmung, und es riecht nach irrationalem Überschwang, aber die Chose muss kein böses Ende nehmen. Der Shanghai Composite weist ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 17 auf. Das ist sogar nach westlichen Maßstäben noch vertretbar.

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