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Die Illusion von der Länderfusion Leitartikel von Jochim Stoltenberg zum neuen Vorstoß aus dem Saarland

24.10.2014 – 18:38 

Berlin (ots) -

Das erinnert fatal an den bequemsten Ausweg in der Politik: Und wenn du nicht mehr weiterweißt, dann gründe einen Arbeitskreis. Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) weiß mit den Schulden des ersten neuen Bundeslandes (Beitritt 1957) nicht weiter. Deshalb plädiert sie für eine Länderneugliederung, falls in den laufenden Verhandlungen über die künftigen Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern keine durchgreifende Entlastung der Arme-Schlucker-Länder wie dem ihren, Berlin oder Bremen gelingt. Man kann es auch als Erpressungsversuch werten: Wenn die Bundesregierung und die reichen Brüder und Schwestern in München, Wiesbaden oder Stuttgart nicht einen Teil unseres Schuldengebirges abtragen, muss eine Kommission zur Länderneugliederung her. Nach dem Motto: Aus 16 armen wie reichen Ländern sind sechs bis acht etwa gleich potente zu formen. Ein solches Ansinnen wird jämmerlich scheitern. Zwar ist schwer zu bestreiten, dass ein Land wie Berlin seine 63 Milliarden Miesen jemals wird allein tilgen können. Das gilt nicht minder für die Altschulden Bremens oder eben des Saarlands. Aber finanzielle Rettung, zumindest Entlastung, auch um auf die ab 2020 verbindliche Schuldenbremse zu treten, kann allein der neue, bis Ende 2019 auszuhandelnde Länderfinanzausgleich versprechen. Wenn sie sich ehrlich macht, weiß das auch Frau Kramp-Karrenbauer. Es ist noch gar nicht lange her, dass sie selbst eine Fusion des Saarlands etwa mit dem größeren Nachbarn Rheinland-Pfalz ins Reich der Fabel verwies. Aus zwei Schwachen würde vereint kein Starker. Zudem gilt für die sehr selbstbewussten, auch sehr eigenwilligen und, wenn es um ihr Ländchen geht, auch sehr solidarischen Saarländer, dass sie als Bundesland mehr für sich herausschlagen können als in einem fusionierten Regierungsbezirk. Und sie weiß natürlich auch um die mittlerweile fast unüberwindbare Hürde, die das Grundgesetz vor Länderfusionen aufgebaut hat: Das Volk muss zustimmen. So wünschenswert weniger, aber leistungsstärkere Länder sind, so skeptisch sind die Bürger. Sie misstrauen den Versprechungen der Politiker, bangen zugleich um die heimische Identität in einem europäischen, gar globalen Umfeld, das für sie immer undurchschaubarer wird. Berlin-Brandenburg war 1996 der vorerst letzte Fusionsversuch. Wäre er gelungen, hätte er zum Schub für eine überfällige Bereinigung des Länderflickenteppichs werden können. Jetzt helfen keine Ausflüchte mehr; nur noch faire, solidarische Verhandlungen.

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