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Geld allein hilft nicht weiter/ Ein Leitartikel von Jochim Stoltenberg

13.06.2014 – 20:45 

Berlin (ots) -

Deutschland gibt viel Geld für seinen Nachwuchs aus. Es sind hohe Milliardenbeträge, die Bund, Länder und Kommunen in Kitas, Schulen und Universitäten investieren. In diesem Land wird niemand ausgeschlossen, wenn es ums Lernen geht. Und doch gibt es eine Gruppe, die sich besonders schwer damit tut, die Chancen zu nutzen und Perspektiven über staatlich abgesicherte Sozialleistungen hinaus zu entwickeln. Neben erfreulichen Daten im Nationalen Bildungsbericht 2014 - wie die insgesamt steigende Bildungsbeteiligung oder sinkende Zahl der Schulabbrecher - schält sich eine Problemgruppe heraus, die Sorge bereitet.

Angesichts der Vielfalt der schulischen wie beruflichen Bildungsangebote erschreckt die Bilanz, dass ein Drittel der jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund keinen beruflichen Abschluss hat. Besonders große Probleme bereiten türkischstämmige junge Männer - fast jeder Zweite von ihnen hat keine abgeschlossene Ausbildung, jeder Fünfte nicht einmal einen Schulabschluss. Als Grund vermuten die Autoren der Studie "weiterhin kulturelle Unterschiede". Da komme man nicht voran. Ein Armutszeugnis für deutsche Integrationspolitik. Das trifft beide Seiten. Zu lange hat die Politik zu viele Migranten tatenlos in eine Art Parallelgesellschaft abwandern lassen. Zu viele von ihnen wiederum haben sich verweigert, die Chancen des Landes, in das sie ausgewandert sind, zu nutzen.

Der Bildungsbericht legt nahe, dass mit Geld allein die Grundlagen für ein selbstständiges Leben nicht gelegt werden können. Entscheidend für die Entwicklung von Jugendlichen bleibt das Elternhaus. Das ist in Migrantenfamilien ja nicht anders als in deutschen. Da gilt es viel intensiver als bisher anzusetzen und Hilfe anzubieten, im Zweifel auch Druck auszuüben, wenn die Kinder schon das schulische Lernen - Basis für die weitere Entwicklung - nicht so ernst nehmen wie nötig.

Aber Schule und Noten sind nicht alles. Das hat in Berlin gerade der Wettbewerb der Industrie- und Handelskammer um den besten Ausbildungsbetrieb bewiesen: Viele Unternehmen geben bildungsschwachen Jugendlichen eine zweite Chance, organisieren Sonderunterricht und fördern die Begabung, die letztlich auch in jedem lernschwachen Jugendlichen schlummert. Entscheidend bleibt, irgendwann deren Willen zu wecken, etwas leisten zu wollen. Erst wenn das gelungen ist, hilft Geld, auch noch mehr Geld, wirklich weiter, damit kein Jugendlicher - egal welcher Herkunft- ein Leben lang abgehängt wird.

Der Leitartikel im Internet: www.morgenpost.de/129061767

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