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Endlose Suche nach dem Endlager Jochim Stoltenberg zu den Aussichten einer atomaren Müllkippe in Deutschland

Berlin (ots)

Wie heißt es doch so mahnend in Goethes Ballade "Der "Zauberlehrling"? "Die ich rief die Geister, werd ich nun nicht los..." Das passt zur Atomenergie, die vor 60 Jahren als Sorglosstrom für alle Zukunft gepriesen wurde, deren Hunderte Jahre strahlender Abfälle wir aber noch immer nicht Herr werden. Jetzt haben Spitzenpolitiker aus Bund und Ländern erstmals parteiübergreifend ein Konzept vereinbart, nach dem ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll gesucht werden soll. Doch kaum war das Ergebnis von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) verkündet, ist es schon wieder aus mit der Einigkeit. Parteiinteressen überwiegen einmal mehr gegenüber dem überfälligen Staatsinteresse, eine einvernehmliche und letztlich erfolgreiche Suche nach einer Endlagerstätte zu starten.

Wie brüchig der jetzt gefundene Kompromiss für ein "Endlagersuchgesetz" ist, zeigt sich schon daran, dass sich die Beteiligten zwar auf Daten in ferner Zukunft einigen konnten, nicht aber darauf, wo die 26 Behälter mit deutschem Atommüll zwischengelagert werden sollen, die bis 2015 aus ausländischen Wiederaufbereitungsanlagen zurückkehren. Allein der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Parteifreund Robert Habeck, Umweltminister in Schleswig-Holstein, deuteten mit den Standorten Philippsburg bei Karlsruhe und Brunsbüttel im dortigen stillgelegten Atommeiler Aufnahmebereitschaft an. Doch kaum ausgesprochen, schall ihnen die sattsam bekannte Kritik, eine Mixtur aus Parteilichkeit, Landesegoismus und Furcht vor der eigenen Bevölkerung entgegen. In Philippsburg drohte der CDU-Bürgermeister mit zivilem Ungehorsam, in Kiel koppelte der SPD-Chef Ralf Stegner eine mögliche Zwischenlagerung an der Elbe an die weitere Förderung der Windenergie im Norden - und das ohne Wenn und Aber. Es ist also doch wieder das altbekannte Taktieren, das Verschieben der Verantwortung, das Drücken vor einer klaren Entscheidung. Ebenso unwillig wie unfähig, ein Problem zu lösen, das sich Deutschland mit der Kernenergie einst gemeinsam eingebrockt hat. Daran hat nicht einmal der einvernehmlich beschlossene Ausstieg aus der Produktion von Atomstrom etwas geändert.

Nun soll es einen Neuanfang geben bei der Suche nach dem Atomfriedhof. Doch der von den Spitzenpolitikern am Dienstag beschlossene Fahrplan dorthin verfolgt vorrangig ein anderes Ziel: Zeit gewinnen. Danach soll nach Kommissionssitzungen, geologischen Prüfungen und Einbeziehung der Bevölkerung 2031 entschieden werden, an welchem Standort Deutschlands atomare Müllkippe errichtet wird. Also in 18 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt wird keiner aus der Dienstags-Runde noch im Amt sein. Alles wurde also vertagt auf die nächste Generation. Und wenn die sich dann irgendwann zu einem Standort durchringen sollte, droht sich zu wiederholen, was Deutschland seit 36 Jahren in Gorleben erlebt. Es sei denn, Einsicht und Vernunft siegen über Parteilichkeit und Emotion. Der Müll muss ja irgendwo hin. Und die Wüste Gobi ist bislang nur in der Fantasie eine Lösung.

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