Alle Storys
Folgen
Keine Story von BERLINER MORGENPOST mehr verpassen.

BERLINER MORGENPOST

Was will uns der Wähler sagen?
Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Berlin (ots)

Sturmfest und erdverwachsen seien die Menschen zwischen Harz und Nordsee, heißt es im Niedersachsenlied. Seit Sonntag wissen wir, dass sie auch perfekte Krimis abliefern können. Allein mit der Aufklärung hapert es noch. Für ihre Landespolitik haben sie eine Lösung gefunden. Doch was wollten sie den Parteien darüber hinaus zur Bundestagswahl im September signalisieren? Da kann man nur rätseln. Obwohl doch von so vielen Experten prognostiziert wurde, dass aus Hannover schon ziemlich deutliche Wegweisungen zu erwarten seien. Einmal mehr haben die Wähler souverän entschieden und sich nicht an das gehalten, was von ihnen erwartet wurde.

Die dickste Überraschung bleibt das Ergebnis der FDP. Doch da sollte sich niemand täuschen lassen. Insbesondere die Liberalen seien dringlichst vor neuen Träumereien gewarnt. Ihr fast sensationelles Abschneiden hat sie potenziellen CDU-Wählern zu danken, die landespolitisch motiviert die sieche Partei gesponsert haben, um die vergleichsweise friedliche, ja harmonische schwarz-gelbe Regierung McAllister zu retten. Mit einer gezielten Stärkung der Bundespartei hat das wenig zu tun. Parteichef Philipp Rösler hat zwar vorerst obsiegt und seine momentane Auferstehung genutzt, um seinen schärfsten parteiinternen Kritiker zum Schwur zu zwingen. Dabei hat sich Rainer Brüderle mit einer Arbeitsteilung abgefunden. Höchst fraglich allerdings, ob damit im liberalen Intrigenstadl endlich wieder Vernunft einkehrt. Die allein kann die FDP im Bund noch retten. Auf Hilfe aus der Wählerklientel der Union können die Liberalen nach den Erfahrungen vom Sonntag nicht noch einmal bauen.

Weil erneut kein schwarz-gelbes Signal gesetzt wurde und die Freude in Berlin am Regieren mit den Liberalen im Unionslager längst beträchtlichem Frust gewichen ist, wird Angela Merkel alles daransetzen, sich und die Union am Wahlabend so stark wie irgend möglich zu machen. Auch in Abgrenzung zur FDP. Weil sie nur dann hoffen darf, Kanzlerin zu bleiben. Wenn es mit den Liberalen reicht, dann eben noch mal mit denen. Wenn nicht, in einer großen Koalition. Und die SPD und deren Pannen-Peer? Den erhofften starken Rückenwind haben sie bundespolitisch nicht für sich entfachen können. Aber auch der befürchtete Gegenwind mit folgenden Turbulenzen rund um ihren Kanzlerkandidaten ist ausgeblieben. Der hat weniger geschadet als von vielen erwartet, aber auch nicht gepunktet. Damit ist nichts verspielt. Rot-Grün bleibt die Hoffnung, es mit Peer Steinbrück doch noch zu schaffen.

Es ist also ein offenes Rennen, dessen Endspurt schon jetzt beginnt. Mit der fatalen Folge, dass das Land in den kommenden acht Monaten in seiner Regierungs- und Gesetzgebungsarbeit weitgehend gelähmt ist. Alles wird fortan der eigenen Wahlkampfstrategie untergeordnet. Da Rot-Grün seit Sonntag auch im Bundesrat die Mehrheit gewonnen hat, kann es fast alles verhindern, was die Koalition noch auf den Weg bringen will. Diese Option zur Blockade ist denn auch bundespolitisch das einzig Konkrete, das sich mit Fug und Recht aus der Wahl in Niedersachsen herausanalysieren lässt.

Kontakt:

BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
Weitere Storys: BERLINER MORGENPOST
  • 20.01.2013 – 21:09

    Gut gelaunt durchs Dauerfeuer Leitartikel von Hajo Schumacher

    Berlin (ots) - Der Wähler ist und bleibt ein wunderbar unberechenbares Wesen. Was haben sich Medien, Mobber und Meinungsforscher abgemüht. Und dann kam alles anders. Wer hätte am Wahlmorgen mit einer Auferstehung des politischen Untoten Philipp Rösler gerechnet? Die Messerstecher in der FDP hatten sein Ende beschlossen. Und nun? Fast zehn Prozent, mit denen er ...

  • 19.01.2013 – 20:40

    BERLINER MORGENPOST: Berlin ist auf einem guten Weg Leitartikel von Jürgen Stüber

    Berlin (ots) - Berlin (ots) Berlin bricht auf in eine neue Zeit. Die Gründerszene der Hauptstadt wächst und formiert sich. Sie lässt sich vom kreativen Umfeld Berlins inspirieren, von ihren Künstlern, Museen, Galerien und Clubs. Sie perfektioniert ihre Ideen und gewinnt an Selbstbewusstsein. Berlin ist auf dem besten Weg, zum Zentrum der Start-ups in Deutschland zu ...

  • 17.01.2013 – 20:17

    Spannend sind die Kleinen / Leitartikel von Hajo Schumacher

    Berlin (ots) - Große demokratische Preisfrage: Bilden mehr Parteien im Parlament auch mehr Bürgerwillen ab? In Niedersachsen kann am Sonntag beides geschehen: Ein Dreier-Landtag mit Schwarz, Rot, Grün ist ebenso denkbar wie der Sechser mit Links, Liberal und Piraten dazu. Die Stimmung rund um die gefühlte Landeshauptstadt Großburgwedel ist eher norddeutsch unterkühlt, kein Aufregerthema in Sicht, dass die Wähler in ...