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Eine brutale Tat, ein richtiges Urteil - Leitartikel

Berlin (ots)

Diese Bilder vergisst man nicht: Ein junger Mann schlägt einem anderen in einer U-Bahn-Station ins Gesicht. Der stürzt zu Boden. Dann hebt der Täter den Fuß, holt aus, um dem Opfer auf den Kopf zu treten. Mehrmals, immer wieder. Wer diese Videosequenz der BVG-Überwachungskameras gesehen hat, fragt sich noch heute, was in dem jungen Mann - Torben P. aus Berlin -, der da zutrat, vorgegangen ist. War er einfach nur betrunken? Kann das eine solche Menschen verachtende Brutalität gegen einen Fremden erklären? Oder wollte Torben& P. nicht einfach töten? Dieser Torben P., ein Gymnasiast aus Berlin, ist jetzt von der Jugendkammer des Landgerichts zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Ohne Bewährung. Das Urteil erging wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Jahre Haft gefordert, das Gericht blieb also 14 Monate darunter. Die Verteidigung, die eine Bewährungsstrafe verlangt hatte, kündigte nun Revision an, so lange bleibt Torben P. auf freiem Fuß. Und weil über die Revision erst Ende des Jahres entschieden wird, kann der 18-Jährige noch mehrere Monate außerhalb eines Gefängnisses verbringen. Möglicherweise wird er schon bald auf ein katholisches Gymnasium in Berlin gehen, obwohl gerade an solchen Schulen die Plätze knapp sind, es für andere Familien Wartelisten gibt. Ist all das gerecht? Warum muss Torben P. für eine solche Tat nicht sofort ins Gefängnis?, fragen sich jetzt viele Berliner. Haben die Richter etwa milder geurteilt, weil es sich um einen deutschstämmigen Gymnasiasten handelt? Hat die katholische Kirche deshalb das Angebot gemacht, den Jugendlichen aufzunehmen? Die Fragen sind berechtigt, gerade wenn man die brutale Tat noch so deutlich vor Augen hat. Doch wir leben in einem Rechtsstaat, in dem es Haftverschonung gibt, wenn keine Fluchtgefahr besteht, wenn der Täter zuvor noch nie strafbar geworden ist. Es ist ein hohes Gut des Rechtsstaats, dass man nach einem Urteil Revision einlegen kann. Das gilt nicht nur für die Verteidigung. In vielen anderen Fällen geht auch die Staatsanwaltschaft diesen Weg. Und: Fast drei Jahre Haft sind eine lange Zeit - erst recht für einen 18-Jährigen. Vor Gericht hatte eine Gutachterin, die Torben P. psychologisch untersucht hatte, auch ausgeführt, dass er wegen seiner familiären Situation - beide Eltern sind sehr krank - schwer depressiv gewesen sei. Er sei kein "typischer Gewalttäter", so die Gutachterin. Auch wenn es schwerfällt, das zu verstehen: Es ist gut, dass ein Gericht Gutachter zurate zieht und auf diese auch hört. Torben P. hat eine zweite Chance verdient, ein Recht auf Resozialisierung. Die katholische Kirche geht deshalb mit ihrem Angebot, ihn an einer ihrer Schulen aufzunehmen, den richtigen Weg. Vorausgesetzt natürlich, die katholische Schule hat auch ein pädagogisches Konzept, wie sich Torben P. und seine Mitschüler mit dem Thema Gewalt und vor allem auch mit dem Opfer auseinandersetzen werden. Ihn nur in der Schule aufzunehmen und ihm zu vergeben, wird nicht ausreichen.

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