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Tarifritual, Kommentar zur Lohnrunde von Stephan Lorz

Frankfurt (ots)

Mit dem Start der neuen Tarifrunde in der Metallindustrie beginnt erneut das immer gleiche Spiel: Die Gewerkschaften zurren ihre Lohnforderung fest - für die IG Metall sind es diesmal "bis zu 5,5%" -, und die Arbeitgebervertreter reagieren erwartungsgemäß ablehnend. Die Arbeitnehmer verweisen auf den Lohnverteilungsspielraum und - seit jüngstem mit Rückendeckung der Bundesbank - auf die nötige Stützung des Privatkonsums. Die Arbeitgeber geben indes zu bedenken, dass die Konjunktur eher fragil ist und dass es nicht allen Mitgliedsunternehmen so gut geht, wie die Statistiken suggerieren.

Allerdings wissen beide Seiten schon jetzt, dass eine Einigung irgendwo in der Mitte zu liegen kommen wird. Da als Lohnverteilungsspielraum nicht kurzfristige Indikatoren, sondern eher längerfristige gesamtwirtschaftliche Eckdaten hergenommen werden wie das EZB-Inflationsziel von 2% sowie eine Produktivitätssteigerung von gut 1%, erscheint ein jahresdurchschnittliches Tarifplus von etwas über 3% realistisch. Das gilt vor allem dann, wenn zusätzliche Komponenten wie eine längere Tariflaufzeit Rechentricks erlauben. Und auch die mit zu verhandelnden "sozialen" Forderungen der IG Metall nach einer tariflichen Anpassung des Altersteilzeitvertrags sowie nach einer Verabredung über Bildungsteilzeit gibt Manövrierraum. Die Tarifrunde dürfte daher - jenseits bisweilen schriller Töne zur Mobilisierung der eigenen Mitglieder - eher überraschungsfrei verlaufen.

Beide Seiten wissen schließlich, dass sie wegen der Bedeutung ihrer Branche für das Wohlergehen der gesamten Volkswirtschaft entsprechend verantwortungsvoll agieren müssen. Und ihrer maßvollen Lohnpolitik war es auch zu verdanken, dass sich die deutsche Wirtschaft im Zuge der Agenda-Reformen so zügig aus der Krise befreien konnte.

Vor diesem Hintergrund gewinnt auch der Gesetzentwurf zur Tarifeinheit eine neue Qualität. Dass eine solche Initiative notwendig ist, hatte zuletzt die Lokführergewerkschaft GDL gezeigt, als sie wegen eines internen Streits mit der konkurrierenden Eisenbahnergewerkschaft die ganze Volkswirtschaft in Geiselhaft nahm. Die neue Regelung soll eine solche Tarifkonkurrenz zügeln. Das ist ein Beitrag zum Betriebsfrieden, aber auch zur Sicherung der Standortqualität Deutschlands. Denn im Vergleich zu Lokführern, Piloten u.a. haben sich die großen Industriegewerkschaften zuletzt stets als verantwortlich im Hinblick auf das Gemeinwohl gezeigt - ohne die Interessen der eigenen Mitglieder hintanzustellen.

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