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Angst vor der Anlegerflucht, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Investoren, die auf Rohstoffe setzen, dürften aktuell wenig erfreut sein. Der gesamte Rohstoffsektor befindet sich in einer tiefen Baisse. Der Bloomberg Commodity Index, auf den es Exchange Traded Funds mit einem Volumen von mehreren Milliarden Dollar gibt, ist auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren gesunken. Charttechnisch sieht es für den viel beachteten Index gar nicht gut aus. Er notiert deutlich unter seiner 200-Tage-Durchschnittslinie und könnte bald auch noch unter das Tief aus dem Jahr 2009 fallen. Derzeit geben die Preise von fast allen Rohstoffgruppen nach, bis auf wenige Ausnahmen: lediglich Tierprodukte wie Fleisch, einige Genussmittel wie Kaffee und Kakao und wenige Industriemetalle trotzen dem Abwärtstrend.

Was die Ursachen für den Niedergang des Sektors betrifft, so lässt sich von einem aus Investoren- und Produzentensicht ungünstigen Zusammentreffen einer ganzen Reihe von Faktoren sprechen. Bei den meisten dieser Faktoren zeichnet sich kurz- und auch mittelfristig kein Umschwung ab, so dass zumindest im laufenden Jahr nicht mit einer nachhaltigen Erholung im Rohstoffsektor zu rechnen ist.

Einer der Hauptfaktoren für den Preisverfall ist die Tatsache, dass in den Boomjahren das Angebot deutlich ausgeweitet wurde. Da Minen, Ölfelder und Plantagen aber einige Jahre von der Planung bis zur Produktionsaufnahme erfordern, findet die Angebotsausweitung gerade jetzt statt. So wird beispielsweise im kommenden Jahr in Peru eine der weltweit größten Kupferminen die Produktion aufnehmen. Die Erschließung der gigantischen Mine hat 7 Mrd. Dollar gekostet. Da noch weitere neue Minen bald liefern werden, wird für den Kupfermarkt im kommenden Jahr mit einem Angebotsüberhang von 285.000 Tonnen gerechnet. Der Rohölmarkt wiederum befindet sich gerade in einer Phase des starken Ausbaus der nordamerikanischen Förderung aus unkonventionellen Quellen. Hinzu kommt eine kurzfristige Angebotsausweitung durch die Rückkehr des libyschen Öls in einen bereits durch Überangebot gekennzeichneten Markt.

Das größere Angebot bei vielen Rohstoffen trifft in wichtigen Weltregionen wie China und Europa auf eine schwache Nachfrage. Im Reich der Mitte hat die Regierung mittlerweile klargemacht, dass sie trotz einer starken konjunkturellen Verlangsamung nicht an ein großvolumiges Stützungsprogramm denkt. Für die Eurozone haben sich fast alle Ökonomen verschätzt, sie hatten die sich nun klar abzeichnende Abschwächung nicht auf dem Radarschirm. Im schlimmsten Fall könnte der Eurozone sogar eine Deflation drohen, was Erinnerungen an Japans "verlorene Dekade" weckt.

Hinzu kommt die jüngste Dollarstärke, die kein kurzes Intermezzo bleiben dürfte, da sich die Notenbankpolitik von Federal Reserve auf der einen Seite und Europäischer Zentralbank und Bank of Japan auf der anderen Seite noch für eine längere Zeitspanne weiter auseinanderbewegen wird. Da die meisten Rohstoffe in Dollar abgerechnet werden, schlägt die Stärke des Greenback direkt auf die Rohstoffnotierungen durch. Investoren aus der Eurozone betrifft dies wegen der Euroschwäche allerdings kaum, in Euro gerechnet hat sich beispielsweise der Ölpreis wesentlich besser gehalten als die Notierung in Dollar.

Trotz der eher auf weitere Preisrückgänge weisenden fundamentalen Faktoren gehen viele Rohstoffanalysten von einer Bodenbildung der Rohstoffpreise aus. Sie vermuten, dass die Negativfaktoren zu einem guten Teil bereits eingepreist sind.

Dabei übersehen sie allerdings eine Gefahr: Noch haben die Finanzinvestoren den Rohstoffmärkten nicht in Scharen den Rücken gekehrt. Dies könnte aber, so befürchten die Rohstoffexperten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), dann geschehen, wenn sich die überwiegende Mehrheit der Investoren von der Idee verabschiedet, dass Peking mit massiven Konjunkturmaßnahmen auch den Rohstoffmärkten wieder fühlbaren Aufwind geben könnte.

In Teilbereichen wie bei den Agrarrohstoffen dürfte auch der politische Druck auf die Finanzinvestoren - Stichwort: Spekulation mit Lebensmitteln - anhalten, was bereits einige Banken zum kompletten Rückzug aus den Bereich veranlasst hat. Sollte es wirklich zu einem umfangreicheren Rückzug der Finanzinvestoren kommen, dann dürfte die Baisse bei den Rohstoffen sogar über das Jahr 2015 hinaus weitergehen.

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