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Anspruch und Wirklichkeit, Kommentar zur Deutschen Bank von Sebastian Schmid

Frankfurt (ots)

Der Aktienkurs der Deutschen Bank ist am Mittwoch abgestürzt, nachdem die harsche Kritik der New Yorker Fed am Berichtswesen der US-Tochter des deutschen Spitzeninstituts publik wurde. Als dann klar war, dass hier keine neuerliche Strafzahlung droht und auch die Geschäftsberichte unverändert Bestand haben, erholten sich die Titel wieder. Am Ende des Tages betrug das Minus gerade noch 0,7%.

So weit ist es also offenbar schon gekommen mit der Erwartung an die Bank, die Leistung aus Leidenschaft propagiert. Die Berichte seien von "geringer Qualität, fehlerhaft und unzuverlässig"? Geschenkt. Die Probleme sind seit langem bekannt, aber es sind keine Fortschritte festzustellen? Wen juckt's. Der Anspruch an die internationalen Großbanken scheint mittlerweile so gering, dass schlechtes Berichtswesen, mangelhafte Risikoevaluierung und ähnliche operative Defizite bestenfalls noch ein Schulterzucken hervorrufen, solange nur kein neues Bußgeld ins Haus steht.

Das verwundert kaum. Spätestens seit dem 6 Mrd. Dollar teuren "Fehler" im Londoner Chief Investment Office der lange als Branchenvorbild gefeierten J.P. Morgan Chase ist bekannt, dass hier wohl fast alle Institute Nachholbedarf haben. Im diesjährigen Stresstest der Fed sind mit Banco Santander, HSBC und RBS gleich drei von vier europäischen Instituten aus qualitativen Gründen durchgefallen. Kritisiert wurden "signifikante Defizite" in Berichtswesen und Risikoevaluierung - Probleme, die offenbar auch die US-Tochter der Deutschen Bank plagen.

Zuletzt hatte das Deutsche Spitzeninstitut angekündigt, 500 Mitarbeiter für Compliance, Risiko und Technologie in den USA einzustellen. Ob es so rechtzeitig gelingt, das Berichtswesen vor der erstmaligen Teilnahme am Fed-Stresstest 2015 ausreichend zu verbessern, erscheint angesichts des Mängelumfangs fraglich. Allerdings wäre auch ein Durchfallen bei der ersten Teilnahme schlimmstenfalls ein Image-Schaden. Den US-Töchtern der europäischen Banken untersagte die Fed dieses Jahr lediglich Dividendenzahlungen an ihre Muttergesellschaften. Die US-Filiale der Deutschen Bank kann aber wohl ohnehin nichts ausschütten. Sie galt lange als chronisch unterfinanziert und muss weiter Kapital aufbauen.

Eine Blamage ist der ganze Vorgang trotzdem. Einer Sprecherin zufolge strebt die Deutsche Bank auch in den Vereinigten Staaten an, die "Beste ihrer Klasse" zu sein. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft bei der US-Tochter eine Lücke, die an den Grand Canyon erinnert.

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