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Wenig Bewegungsspielraum, Kommentar zur Lage der deutschen Versicherungswirtschaft, von Antje Kullrich.

Frankfurt (ots)

Den deutschen Lebensversicherern wird langsam mulmig. Die anhaltende Niedrigzinsphase fordert ihren Tribut. Sie ist die mit Abstand größte Belastung für die Branche. Auf andere Herausforderungen wie die kommenden Eigenkapitalregeln nach SolvencyII kann sie selbst reagieren - zum Beispiel mit neuen Produkten und anders gestrickten Garantiemodellen. Doch in puncto Zinsen liegt viel außerhalb des Einflussbereichs der eigentlich mit einer starken Lobby ausgestatteten Branche. Und bei dem, was sie selbst tun kann, sind ihre Handlungsspielräume beschränkt.

Denn ein Portfolio von 743 Mrd. Euro Kapitalanlagen, das zu knapp 90% in Rentenpapieren angelegt ist, kann nur ganz allmählich umgeschichtet werden. Führende Branchenvertreter geben zu, dass die derzeit breit diskutierten Investitionen in erneuerbare Energien, Infrastruktur oder Mittelstandsfinanzierung allenfalls jeweils 1 bis 2% Anteil an den gesamten Kapitalanlagen erreichen können. Damit sind diese Assetklassen als signifikanter und ausreichender Renditetreiber nicht geeignet.

Und darum ist es so, wie es in vorangegangenen Kapitalmarktkrisen auch schon war: Die Assekuranz ruft die Politik zu Hilfe. Dass sie damit zumindest in Teilen Erfolg haben wird, zeichnet sich schon jetzt ab. Beim Thema Kundenbeteiligung an den Bewertungsreserven, gegen die die Branche schon seit der Einführung vor ein paar Jahren Sturm läuft, wird sich etwas ändern. Auch bei weiteren Forderungen zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes dürften die Chancen nicht allzu schlecht stehen.

Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ist jedoch eine ungleich härtere Nuss. Auch unter den selbstbewusstesten Lobbyisten der deutschen Assekuranz glaubt wohl keiner, darauf merklich Einfluss zu haben. So ist die Forderung nach einer zügigen Eindämmung der Geldschwemme als Hilfe- und Weckruf zu verstehen. Die großen, kapitalstarken Lebensversicherer halten die niedrigen Zinsen noch viele Jahre durch. Doch sollten ein, zwei kleinere Gesellschaften demnächst ins Straucheln geraten, hätte die Branche insgesamt trotz der Auffanggesellschaft Protektor ein großes Imageproblem.

Apropos Imageproblem: Hier gibt es doch noch etwas, was die Versicherer auch aus eigener Kraft angehen könnten. Am über die Jahre aufgebauten schlechten Ruf lässt sich arbeiten. Eine grundlegende Änderung der Anreize für den Vertrieb tut not. Dann würde wohl auch der ein oder andere Politiker den Sorgen der Assekuranz wieder mehr Gehör schenken.

(Börsen-Zeitung, 19.4.2012)

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