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Liquiditätsrally Teil II, Börsenkommentar "Marktplatz", von Thorsten Kramer.

Frankfurt (ots)

Der Schuldenschnitt in Griechenland hat eines unterstrichen: Es gibt für das finanziell stark angeschlagene Land keine schnelle Trendwende. Die Rettung gelingt - wenn überhaupt - nur mit einem mühseligen "Hilfsmarathon". Aktieninvestoren sicherten angesichts der anhaltenden Unsicherheit über die Zukunft Griechenlands in den zurückliegenden Tagen erst mal Kursgewinne ab. Und mancher fragt sich jetzt, ob das vielleicht schon der Beginn der seit langem erwarteten Korrektur an den Aktienmärkten ist.

Voraussichtlich ist er es noch nicht. Denn in der neuen Woche steht mit dem zweiten Tendergeschäft der Europäischen Zentralbank (EZB) mit dreijähriger Laufzeit ein Ereignis auf der Agenda, das die ohnehin schon gute Liquiditätsversorgung der Aktienmärkte zusätzlich verbessern wird. Wo sollen die Akteure auch hin mit den ganzen Geldern? Staatsanleihen sind nicht mehr sicher, Papiere aus "AAA"-Ländern bieten zudem eine mickrige Rendite. Als Alternativen bleiben zurzeit vor allem Unternehmensanleihen, wie man an der enormen Nachfrage wie jüngst bei ThyssenKrupp ablesen kann - und eben Dividendentitel. Viele Aktienmärkte sind immer noch günstig bewertet, die konjunkturellen Perspektiven haben sich in den zurückliegenden Monaten verbessert und viele Anleger sind an den Börsen weiterhin unterinvestiert. Das lässt Freiraum für Kursfantasie.

Für das Volumen des EZB-Tenders reichen die Prognosen der Banken inzwischen bis zu der unvorstellbaren Summe von 650 Mrd. Euro. Der erste Tender vom 22. Dezember mit einem Volumen von knapp 500 Mrd. Euro hatte bereits einen stark beflügelnden Effekt auf Risiko-Assets. Der globale Benchmark-Index MSCI World kletterte seitdem um rund 10%, und der MSCI-Schwellenländer-Index rückte sogar um 16% vor, weil Anleger speziell dort noch größeren Nachholbedarf und bessere Wachstumsperspektiven sehen. Zu den großen Profiteuren zählen aber auch der deutsche Aktienmarkt sowie die Märkte in Skandinavien, die vom Status eines sicheren Hafens in Europa getragen werden.

Quantitative Lockerungsmaßnahmen der amerikanischen sowie der japanischen Notenbank, so zeigen Analysen, hatten in der Vergangenheit zumeist ganz ähnlich positive Kurseffekte - häufig sogar über einen Zeitraum von mehreren Monaten. Allerdings ist der Effekt vor allem dann überdurchschnittlich gewesen, wenn die Lockerungsmaßnahmen überrascht haben. Sollte das Tendervolumen am Mittwoch nicht so hoch wie prognostiziert ausfallen, birgt dies also bereits Enttäuschungspotenzial. Zudem bemängeln Marktteilnehmer, dass bisher nicht deutlich ist, wie Europas Notenbanker nach dem Tendergeschäft weiter verfahren wollen. Auch die Hoffnungen auf weitere Hilfen der EZB könnten also enttäuscht werden und den zu erwartenden positiven Kurseffekt schmälern. Vielleicht wäre das dann auch der Auslöser für umfangreiche Gewinnmitnahmen an den Börsen. Denn es gibt inzwischen einige Entwicklungen, die zumindest vorsichtige Marktteilnehmer an der Nachhaltigkeit der Börsenrally zweifeln lassen.

So fielen zuletzt einige Wirtschaftsindikatoren in den USA und Europa nicht mehr so robust aus wie erwartet, der Einkaufsmanagerindex für die Eurozone rutschte sogar unter die wichtige Schwelle von 50 Punkten und signalisierte damit Kontraktion. Dies unterstreicht die Einschätzung der EU-Kommission, die den Euroraum 2012 in der Rezession sieht - lediglich Deutschland stemmt sich gegen diesen Trend. Dies bleibt natürlich nicht ohne Folgen für die Gewinnperspektiven vieler Unternehmen. Bereits jetzt setzt es unter anderem französischen Aktien zu, dass Analysten ihre Gewinnschätzungen für die Firmen zusammenstreichen.

Hierzulande ist die Entwicklung nicht so negativ, Skeptiker weisen jedoch darauf hin, dass der starke Anstieg des Dax seit dem Jahreswechsel nicht durch höhere Gewinnprognosen unterstützt worden ist. Für einen weiteren und vor allem nachhaltigen Anstieg der Kurse müsste also zunächst mal das Gewinnmomentum steigen, wie es beispielsweise bei der Commerzbank heißt. Damit dürfte zurzeit allein angesichts der vielen sehr vorsichtig formulierten Ausblicke der Konzerne aber kaum zu rechnen sein.

Hinzu kommt, dass sich die Stimmung quer durch alle Segmente spürbar verbessert hat. Dies zeigt, dass bereits viele Akteure ihre Risikoaversion abgelegt haben - dies gilt als aussagekräftiger Kontraindikator. Optimisten sollten sich ihrer Sache also nicht zu sicher sein. Der zweite Teil der Liquiditätsrally an den Aktienmärkten könnte kürzer ausfallen als erhofft.

(Börsen-Zeitung, 25.2.2012)

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