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Regelverstoß im Bundestag, Kommentar zur Parlamentsbeteiligung an der Ausgestaltung des Euro-Rettungsschirms, von Angela Wefers.

Frankfurt (ots)

Welch ein politisches Theater war da noch vor knapp vier Wochen. Bei der Abstimmung im Bundestag zur Art der Parlamentsbeteiligung bei künftigen Euro-Stabilisierungsmaßnahmen schlugen die Wogen hoch. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erreichte trotz Abweichlern aus den eigenen Reihen die ersehnte Kanzlermehrheit, aber es blieb eine Zitterpartie mit innenpolitischen Machtspielen.

Die CDU/CSU-Fraktion und ihr Chef Volker Kauder haben Merkel nun ohne Not erneut in eine solche prekäre Lage manövriert. Überraschend setzten sie ihr Votum über die künftige Nutzung und Hebelung des Euro-Rettungsschirms EFSF für heute auf die Tagesordnung des gesamten Plenums und überließen dies nicht dem Haushaltsausschuss des Bundestags. Zwar sah es gestern so aus, als könnten Union und FDP selbst die nötige Mehrheit stellen, doch bleibt ein solcher Schritt ein Vorhaben mit offenem Ausgang. Stimmt der Bundestag zu, kann die deutsche Kanzlerin gestärkt in die heutige zweite Runde des Euro-Gipfels gehen, auf den die Finanzwelt hoffnungsvoll schaut. Nicht auszudenken wären die Folgen, wenn der Bundestag seine Zustimmung versagte. Auf jeden Fall aber verharrt Europa erst einmal im Ungewissen. Nun geht es nicht darum, wegen des ungewissen Ausgangs Abstimmungen im Plenum zu vermeiden. Es geht aber um Berechenbarkeit und um einen verlässlichen institutionellen Rahmen, der Europa so sehr fehlt. Erst vor Monatsfrist hatte der Bundestag selbst festgelegt, dass er über die Leitlinien der EFSF im Haushaltsausschuss entscheidet und nur über die Änderung des Garantierahmens oder ein neues Länderprogramm im gesamten Plenum abstimmt.

Kauder begründete die Aktion nun mit der grundsätzlichen Bedeutung, die in der EFSF-Hebelung steckt, und tat zwischendurch so, als habe der aus Brüssel gelieferte Text mit den geplanten EFSF-Leitlinien nichts zu tun. Tatsächlich soll die Formulierung aber Teil der Leitlinien sein. Dies sehen auch die Abgeordneten inzwischen so.

Der Bundestag wird bei einem solchen Gebaren zum unsicheren Kantonisten, wenn er künftig in Krisensituationen allenthalben das Stoppschild mit der Aufschrift "grundlegend" hebt, damit eine Plenarabstimmung erzwingt und über die selbst gesetzten Regeln hinweggeht. Genau darin liegt nicht der Mittelweg zwischen Handlungsfähigkeit der Eurozone und parlamentarischer Kontrolle. Das Prinzip Glaubwürdigkeit, das Europa jetzt so dringend braucht, gilt nicht nur für Banken, Märkte und Regierungen, sondern auch für Parlamente.

(Börsen-Zeitung, 26.10.2011)

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