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Media Service: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: «Im Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz ist der Karren ziemlich festgefahren.»

Zürich (ots)

Die EU-Kommission sieht im bisherigen bilateralen Weg mit der Schweiz keine Zukunft. Der Deutsche Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments in Strassburg, hat Verständnis für diese Position. «Die Schweiz stellt an Europa folgenden Anspruch: Lasst uns an allem teilnehmen, was uns ökonomisch, ökologisch, verkehrspolitisch und finanzpolitisch interessiert», sagt der Sozialdemokrat im Interview mit der «Handelszeitung». In den Augen der EU sei dies eigentlich eine «Vollmitgliedschaft». Aber das wolle die Schweiz nicht. «Im Verhältnis zwischen der EU, einzelnen Mitgliedstaaten und der Schweiz ist der Karren ziemlich festgefahren. Ich sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf schon vor einem halben Jahr, wir müssten wie im Monopoly zurück auf Los.» Es wäre psychologisch wichtig, wenn beide Seiten nochmals von vorne beginnen könnten.

Schulz anerkennt, dass eine EU-Mitgliedschaft für die Schweiz einen Souveränitätsverlust bedeuten würde. Ebenso die Tatsache, dass ein solcher «im Moment bar jeder Realität» sei. Die Schweiz müsse sich «im Notfall» aber im Klaren darüber sein, dass die EU sagt: «Die Spielregeln sind für alle gleich, aber wenn ihr die Spielregeln nicht befolgen wollt, dann müssen wir uns überlegen, wie es weitergehen soll», so Schulz.

Der Präsident des EU-Parlaments kritisiert aus einem weiteren Grund die Sonderposition der Schweiz. Mit den 150 Abkommen, von denen viele technischer Natur seien, sei die Schweiz stärker in die EU integriert als das EU-Mitglied Grossbritannien. «Versetzen Sie sich jetzt aber einmal in die Lage von EU-Staaten, in denen es zentrifugale Kräfte gibt. Die wollen es wie die Schweiz machen und aus der EU austreten, anschliessend bilaterale Abkommen verhandeln und keine Beiträge mehr zahlen.»

Schulz wirbt für ein «anderes Verständnis füreinander». «Mit aggressiver Rhetorik gegenüber der Schweiz erreicht man nichts - ausser der Verhärtung der Fronten.» Der EU-Parlamentspräsident spricht sich namentlichen in der Steuerfrage für ein Grundsatzabkommen zwischen der Schweiz und der EU aus. Gemäss Schulz' Idee müsste die EU sagen, «wir haben es mit der Schweiz mit einem Land zu tun, dessen Finanzindustrie einen grossen Anteil am BIP hat». Deshalb sei es legitim, wenn das Land seinen Finanzplatz schützen wolle. Umgekehrt hätten Länder, die auf eine nachhaltige Steuergerechtigkeit angewiesen seien, das Recht, Steuerflucht zu bekämpfen. «Hat man diese beiden Positionen als Ausgangspunkt formuliert, kann man sich überlegen, wieweit man sich mit Transparenzverfahren oder Meldeverpflichtungen annähern kann, damit das Schweizer Bankgeheimnis nicht völlig ausgehöhlt wird.»

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