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Eidg.Materialprüf.- u. Forschungsanstalt

EMPA: Das Auf und Ab bromierter Flammschutzmittel -- Ein Bohrkern erzählt giftige Geschichten

Dübendorf (ots)

Die Empa entlockte einem Bohrkern aus dem
Greifensee die Lebensgeschichte von bromierten Flammschutzmitteln: 
Der rasante Anstieg, als sie auf den Markt kamen, der anschliessende 
Rückgang, sobald ihre Giftigkeit erkannt war, und die 
explosionsartige Zunahme eines Ersatzproduktes. Zu sehen ist der 
Bohrkern am Tag der offenen Tür in Dübendorf, Samstag, 25.Juni 2005.
Bromierte Flammschutzmittel verhindern wirksam Brände von 
Kunststoffen und Textilien. Doch der Schutz wird mit unerwünschten 
Nebenwirkungen erkauft: einige dieser Industriechemikalien sind 
problematisch. Seit mehreren Jahren wird daher in Europa auf ihre 
Verwendung weitgehend verzichtet. Dies hat die Empa in 
Zusammenarbeit mit der EAWAG kürzlich anhand eines Bohrkerns aus dem 
Greifensee bestätigt. Nach einem rasanten Anstieg in den 
1980er-Jahren sind die Mengen dieser Flammschutzmittel seit 1995 
wieder leicht rückläufig. Die Empa deckte allerdings auch auf, dass 
die Konzentrationen eines Ersatzproduktes bedenklich ansteigen.
Bromierte Flammschutzmittel werden nur sehr langsam abgebaut. In 
Seen lagern sich die Stoffe Jahr für Jahr in den Sedimenten am Grund 
ab und archivieren auf diese Weise ihre Geschichte. Im Jahr 2003 
förderten Empa und EAWAG diese Geschichte zu Tage. Die EAWAG stach 
einen etwa 150 cm langen Bohrkern aus dem Grund des Greifensees und 
datierte die „Jahrringe“ des Kerns durch Messungen des Isotops 
Cäsium 137. Das wurde beim sowjetischen Atombombentest 1961/62 und 
bei der Explosion im Kernreaktor in Tschernobyl 1987 in grossen 
Mengen freigesetzt und findet sich in den entsprechenden Schichten 
des Kerns wieder. 
In Scheiben geschnitten und gefriergetrocknet, 
gelangten die obersten 42 cm des Bohrkerns schliesslich in die 
Labors der Empa. Dort beschäftigen sich ForscherInnen intensiv mit 
bromierten Flammschutzmitteln. Im Rahmen des Nationalen 
Forschungsprogramms NFP 50 – Hormonaktive Stoffe, Bedeutung für 
Menschen, Tiere und Ökosysteme – untersuchen sie deren 
Umweltverhalten und entwickeln Methoden für den chemischen Nachweis.
POPs – gefährliche Dauergifte 
Die ForscherInnen lösten die 
Substanzen aus dem Sediment heraus, reinigten sie und untersuchten 
drei Vertreter der bromierten Flammschutzmittel, die sich durch die 
Anzahl der in jedem Molekül enthaltenen Bromatome unterscheiden: 
PentaBDE (fünf Bromatome), OctaBDE (acht Bromatome) und DecaBDE 
(zehn Bromatome). PentaBDE und OctaBDE zählen zu den Dauergiften, 
auch POPs (persistent organic pollutants) genannt. POPs sind 
toxische Substanzen, die schwer abbaubar und bioakkumulierbar sind, 
sich also in der Nahrungskette anreichern.
Auf PentaBDE und OctaBDE treffen diese Eigenschaften zu: Sie sind
hormonaktiv, beeinflussen den Hormonhaushalt und stehen im Verdacht,
die Entwicklung von Mensch und Tier zu stören. Sie sind ausgesprochen
langlebig; Wind- und Wasserströme verfrachten sie weltweit, so dass
sie sogar in den Eisbären der Arktis zu finden sind. Und in der
Nahrungskette werden sie von kleinsten Organismen bis hin zu den
Spitzenkonsumenten – Menschen und Raubtiere – weitergereicht. DecaBDE
ist dagegen wahrscheinlich kein POP, da es nach bisherigen
Erkenntnissen nicht bioakkumulierbar ist. Zudem ist es ist weniger
toxisch.
Harmloses Ersatzprodukt? 
Die Ergebnisse der Bohrkernanalyse liegen seit kurzem 
vor: 1960 treten PentaBDE und OctaBDE erstmals in den Sedimenten des 
Greifensees auf. 1995 erreichen die Konzentrationen ein Maximum und 
sinken seitdem wieder leicht ab. Im Gegensatz dazu nimmt die 
Konzentration von DecaBDE in den letzten 20 Jahren rasant zu; alle 
neun Jahre verdoppelt sich die Menge.
Der Grund für diesen Verlauf 
ist in der Politik zu finden. Als sich Mitte der 1990er-Jahre ein 
baldiges Verbot von PentaBDE und OctaBDE abzeichnete, verzichtete 
die Industrie in Europa freiwillig auf deren Verwendung. Im Juni 
2004 trat das Verbot in der EU in Kraft. Seitdem wird DecaBDE als 
weniger gefährliches Ersatzprodukt verwendet – in immer grösseren 
Mengen.
Die Forscherwelt ist alarmiert. Erste Untersuchungen der 
Empa zeigen, dass sich DecaBDE in der Umwelt zu Stoffen abbaut, die 
den giftigen PentaBDE und OctaBDE ähneln. Das vermeintlich eher 
harmlose Ersatzprodukt birgt also durchaus Gefahren. Weitere 
Forschungsprojekte sollen klären, welche Abbaustoffe gebildet werden 
und wie sie in See und Nahrungsketten gelangen. Ausserdem planen 
Empa und EAWAG, weitere Bohrkerne in Hochgebirgsseen zu stechen.
Redaktion
Dr. Bärbel Zierl, Abt. Kommunikation/Marketing, Tel. +41 44 823 49
09,  baerbel.zierl@empa.ch
Kontakte
Dr. Martin Kohler, Abt. Organische Chemie, Tel. 044 823 4334, 
martin.kohler@empa.ch
Dr. Peter Schmid, Abt. Organische Chemie, Tel. 044 823 4651, 
peter.schmid@empa.ch

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  • 18.03.2005 – 11:44

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