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Bundesamt für Justiz

Vereinheitlichung der Strafprozessordnung

Bern (ots)

Bundesrat schickt Reformpaket in die Vernehmlassung
Wirksamere Strafverfolgung dank Vereinheitlichung der
Strafprozessordnung
Vor allem um die grenzüberschreitende Kriminalität
wirksamer bekämpfen zu können, soll das Strafprozessrecht in der
Schweiz vereinheitlicht werden. Der Bundesrat hat am Mittwoch die
Vorentwürfe zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung und zu einem
Schweizerischen Jugendstrafverfahren in die Vernehmlassung geschickt.
Wegen des Umfangs und der Bedeutung des Reformpakets dauert die
Vernehmlassung bis Ende Februar 2002.
Heute hat jeder Kanton seine eigene Strafprozessordnung; zudem
gibt es drei weitere Strafverfahrensgesetze des Bundes
(Bundesstrafprozess, Militärstrafprozess, Verwaltungsstrafrecht).
Dieses Patchwork unterschiedlicher Strafverfahrensrechte behindert
seit dem vermehrten Aufkommen der grenzüberschreitenden Kriminalität
immer stärker eine wirksame Strafverfolgung. Die Vereinheitlichung
des Strafprozessrechts soll aber nicht nur die Effizienz der
Strafverfolgung verbessern, sondern auch die Rechtssicherheit und
Rechtsgleichheit erhöhen. Denn die heutige Rechtszersplitterung
erweist sich für Rechtsuchende und für Anwälte als nachteilig.
Staatsanwalt im Zentrum des Vorverfahrens
Der Vorentwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung ist
von Prof. Niklaus Schmid, bis 1999 Ordinarius für Strafrecht und
Strafprozessrecht an der Universität Zürich, in Zusammenarbeit mit
einer Begleitgruppe des EJPD ausgearbeitet worden. Der Vorentwurf
orientiert sich an den Leitlinien, welche die Expertenkommission
"Vereinheitlichung des Strafprozessrechts" in ihrem 1998
veröffentlichten Bericht "Aus 29 mach 1" gezogen hat. Die Reform
richtet sich nach dem Grundsatz, möglichst wenig in die
Organisationshoheit der Kantone einzugreifen. Ganz ohne Eingriffe
lässt sich aber keine wirkliche Vereinheitlichung erzielen. So muss
namentlich ein für die ganze Schweiz geltendes Strafverfolgungsmodell
gewählt werden, d.h. es ist festzulegen, ob der Untersuchungsrichter
oder der Staatsanwalt im Zentrum des Vorverfahrens steht.
Dem Vorentwurf liegt das Staatsanwaltschaftsmodell zugrunde.
Dieses Modell bietet den Vorzug, dass im Vorverfahren kein
Handwechsel mehr vom Untersuchungsrichter zum Staatsanwalt
stattfinden muss und so ein grosser zeitlicher und personeller
Aufwand entfällt. Damit wird eine höhere Effizienz erzielt, was
gerade bei komplizierten Fällen von organisiertem Verbrechen und
Wirtschaftskriminalität bedeutsam ist. Aus diesem Grund ist das
Staatsanwaltschaftsmodell in Europa stärker verbreitet als das
Untersuchungsrichtermodell. Für die Kantone mit
Untersuchungsrichtermodell - heute die Mehrheit - wird bei der
Einführung der künftigen Strafprozessordnung die Umstellung auf das
Staatsanwaltschaftsmodell mit einigem Aufwand verbunden sein. Bei
vielen Praktikern und kantonalen Instanzen festigt sich jedoch die
Ueberzeugung, dass das Staatsanwaltschaftsmodell das System der
Zukunft ist. So haben nach den Kantonen Basel-Stadt und Tessin in
jüngster Zeit auch die Kantone St. Gallen und Appenzell Innerrhoden
vom Untersuchungsrichter- zum Staatsanwaltschaftsmodell gewechselt.
Als Gegengewicht zur stärkeren Stellung der Staatsanwaltschaft
führt der Vorentwurf weiter gehende rechtsstaatliche Garantien für
Beschuldigte und Opfer ein. So ordnet ein Zwangsmassnahmengericht die
von der Staatsanwaltschaft beantragten Zwangsmassnahmen (z. B.
Verhaftung, Hausdurchsuchung) an. Bei diesem Gericht können auch alle
Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft angefochten werden.
Bewährtes und Neues
Der Vorentwurf zu einer schweizerischen Strafprozessordnung
übernimmt eine Vielzahl kantonaler Regelungen, die sich in der Praxis
bewährt haben, und bringt zugleich einige Neuerungen: Ein gemässigtes
Opportunitätsprinzip ermöglicht es den Strafbehörden, in gewissen
Fällen auf eine Strafverfolgung zu verzichten. Der Vorentwurf
übernimmt das Postulat des Zeugenschutzes, dehnt aber die
Schutzmassnahmen auf alle Personen aus, die im Strafverfahren
mitwirken (Auskunftspersonen, Uebersetzer). Ein erster Schritt in
Richtung Mediation wird mit der Bestimmung unternommen, wonach die
Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen verpflichtet ist, mit den
Parteien Vergleichsgespräche zu führen. Unter dem Titel Abgekürztes
Verfahren wird vorgeschlagen, in der Schweiz eine Art von "plea
bargaining" einzuführen (Möglichkeit, dass Beschuldigte und
Strafverfolgungsbehörden sich bezüglich Schuldspruch und Strafe
absprechen, um das Verfahren abzukürzen). Vorgesehen ist ferner der
sogenannte Anwalt der ersten Stunde: Beschuldigte, die von der
Polizei vorläufig festgenommen werden, können sofort frei mit ihrer
Verteidigung verkehren, die auch bei Einvernahmen anwesend sein kann.
Der Vorentwurf umfasst über 500 Artikel. Diese Ausführlichkeit ist
notwendig, um das Strafverfahren auch tatsächlich zu
vereinheitlichen. Würde nämlich der Vorentwurf viele Punkte nur
summarisch regeln, könnte dies zu einer kantonal sehr
unterschiedlichen Auslegung dieser Bestimmungen führen.
Erwachsenen- und Jugendstrafverfahrensrecht getrennt
Da sich die betont erzieherische Tendenz des Jugendstrafverfahrens
wesentlich von der Ausrichtung des Erwachsenen-Strafprozesses
unterscheidet, wird das Schweizerische Jugendstrafverfahrensrecht als
separater Vorentwurf in die Vernehmlassung geschickt. Der von Jean
Zermatten, Jugendgerichtspräsident in Sitten, ausgearbeitete
Vorentwurf ist als selbstständiges Gesetz konzipiert. Es stützt sich
auf die Schweizerische Strafprozessordnung und stellt nur dort
abweichende Bestimmungen für Verfahren gegen Jugendliche auf, wo es
der Sache nach nötig ist. Die Strafverfolgung wird sich, in
modifizierter Weise, nach dem heute in der Westschweiz verbreiteten
Jugendrichter-Modell richten.

Kontakt:

Vizedirektor Peter Müller, Bundesamt für Justiz,
Tel. +41 31 322 41 33

Prof. Niklaus Schmid, emeritierter Ordinarius für Strafrecht
und Strafprozessrecht an der Universität Zürich,
Tel. +41 1 391 78 17

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